Süddeutsche Zeitung

Junge Alternative:Chef von Jugendorganisation tritt aus AfD aus

Marvin Neumann wurde erst vor zwei Wochen zum Co-Chef der "Jungen Alternative" gewählt. Nun verlässt er die AfD nach schweren Vorwürfen. Die Affäre bringt die gesamte Partei in Bedrängnis.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Der jüngste Bundeskongress der "Jungen Alternative" (JA) liegt gerade mal gut zwei Wochen zurück. Erst Mitte April war Marvin Neumann im hessischen Volkmarsen zum Co-Chef der AfD-Jugendorganisation gewählt worden. Neumanns Ziele klangen vollmundig, eine neue Ära sollte beginnen: Die neue Spitze werde die Parteijugend "professioneller, ästhetisch ansprechender und vor allem inhaltlich ausgeprägter" ausrichten, kündigten die JA-Chefs in einem Telegram-Chat an.

Diese Ära allerdings dauerte nicht lange. Am Montagmorgen kurz nach neun Uhr erreichte mehrere AfD-Geschäftsstellen eine kurze Erklärung von Neumann, in der er ohne Begründung seinen Parteiaustritt erklärte - und damit auch den sehr schnellen Abschied aus der JA-Spitze. Ein AfD-Sprecher bestätigte den Austritt Neumanns am Montag. Überraschend kam er nicht.

Neumann war innerhalb der AfD in der vergangenen Woche wegen früheren Äußerungen in sozialen Medien heftig in die Kritik geraten. Die Vorwürfe wogen so schwer, dass der Bundesvorstand das Thema auf die Agenda einer morgendlichen Telefonkonferenz am Montag gesetzt hatte. Neumann sollte dort seine Aussagen erklären.

Losgetreten hatte die Aufregung die parteiinterne Arbeitsgruppe "Verfassungsschutz", die den Kampf der AfD gegen eine härtere Gangart der Behörden gegen die Partei koordinieren soll. Sie hatte in einem Papier verbale Verfehlungen aufgelistet. Neumann soll demnach getwittert haben: "Es gibt keine "Schwarze(n) Deutsche(n) und Europäer". Sie seien bestenfalls Teil der Gesellschaft und besitzen bestimmte Staatsbürgerschaften, aber sie seien nicht Teil einer tradierten authentischen "europäische(n) Identität".

Beim Bundestreffen sei einiges "aus dem Ruder gelaufen"

Ende März schrieb er den Angaben zufolge: "Wenn die europäische Zivilisation sich nicht selbst zerstören will, nur um die Komplexe einer degenerierten Oberschicht in den Medienhäusern, Unis und Konzernen zu befrieden, muss früher oder später auch mal in aller Schärfe gesagt werden: 'Weiße Vorherrschaft' ist okay."

Die Arbeitsgemeinschaft riet dem Parteivorstand, Neumann zum Rücktritt aufzufordern und ihm die Mitgliedsrechte zu entziehen. Von Fassungslosigkeit in Teilen der AfD-Spitze war danach die Rede. Die große Sorge der Partei sei, dass eine Beobachtung der JA als erwiesen extremistische Bestrebung durch den Verfassungsschutz drohen könne, heißt es in Kreisen der Parteispitze. Auch der gesamten AfD droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Sie versucht dies derzeit vor Gericht abzuwenden.

Die Jugendorganisation "Junge Alternative" bereitete der AfD seit der Gründung häufig Sorgen, weil Landesverbände oder einzelne Mitglieder durch extreme Aussagen auffielen. In Niedersachsen wurde der Landesverband der JA Ende 2018 deshalb sogar von der Bundesführung der Jugendorganisation aufgelöst und erst nach längerer Zeit wieder neu gegründet. Wegen der großen Probleme gab es damals Überlegungen in der Parteispitze, die Junge Alternative komplett aufzulösen.

Um Sanktionen der Parteiführung vorzubeugen, verordnete sich ihre Spitze damals selbst in einem Regelkatalog Zurückhaltung. Parteichef Jörg Meuthen mahnte sie damals, "auf den Pfad der Tugend zurückzukehren". Die Jugendorganisation wird seit Längerem vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt. Aus der AfD heißt es jetzt, die Probleme der Jungen Alternative seien mit dem Austritt Neumanns nicht gelöst. Bei ihrem Bundestreffen in Volkmarsen sei einiges "aus dem Ruder gelaufen".

Die Junge Alternative sieht sich unter Druck gesetzt

Auch jetzt will sich die Junge Alternative mit der Entwicklung nicht abfinden. Am Nachmittag kritisierte der verbliebene Vorstand der JA in einer Presseerklärung den Parteivorstand. Der JA-Bundesvorstand bedauere, dass ihr bisheriger Vorsitzender "von weiten Teilen des AfD-Bundesvorstands zum Austritt aus der Partei gedrängt" worden sei, heißt es da. Und die Parteijugend stellt sich gegen ihren Parteivorstand und hält zu ihrem Gefährten: "Der Bundesvorstand der AfD hat Druck auf uns ausgeübt, damit wir uns von Neumann distanzieren. Eine solche Distanzierung kommt für uns nicht infrage." Auf Vorwürfe gegen Neumann wollten sie nicht eingehen, er werde später selbst eine Erklärung veröffentlichen.

In der Presseerklärung des JA-Bundesvorstands heißt es dann noch, es sei das Vorrecht der Jugend, "auch mal zu provozieren, Debatten anzustoßen - auch und gerade in einer lebendigen Partei wie der AfD". Und die AfD-Jugend beklagt, dass ihr dieses Vorrecht von Teilen der eigenen Partei genommen werde.

Der Brandenburger Neumann und Carlo Clemens aus Nordrhein-Westfalen waren am 18. April zu gleichberechtigten Co-Vorsitzenden gewählt worden. Neumann hatte der Zeitung Junge Freiheit kurz vor der Wahl gesagt: "Ich sehe mich als Vertreter der Neuen Rechten in der JA, im parteiinternen Diskurs als Befürworter des Solidarischen Patriotismus."

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