Bundestag:Warum die AfD den Innenausschuss leitet

News Themen der Woche KW03 News Bilder des Tages Wahlkampf AfD Alice Weidel, 24.01.2021 Baden-Württemberg, Schwäbisch G

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag.

(Foto: imago images/onw-images)

SPD, Grüne und FDP haben der AfD den Vorsitz des Innenausschusses im Bundestag überlassen. Die Frage nach dem Warum führt zur Personalpolitik der Grünen.

Von Constanze von Bullion und Henrike Roßbach, Berlin

Es ist die Woche der Postenvergabe im Bundestag. Im Windschatten von Kanzlerwahl und Ministerernennung haben auch die Fraktionen neu sortiert, wer für welchen Bundestagsausschuss den Vorsitzenden entsenden darf. Dass die AfD den Innenausschuss ergattern konnte, empört die Opposition. Die Linke Martina Renner nannte die AfD "ein Sicherheitsrisiko". Die bisherige Ausschussvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sagte: "Ausgerechnet die AfD, die selbst zur Hälfte vom Verfassungsschutz beobachtet wird, soll künftig die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitsbehörden leiten - da wird der Bock zum Gärtner gemacht." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wiederum sah "ein klares Versagen der anderen Fraktionen", diese Konstellation überhaupt zugelassen zu haben. Aber hätten SPD, Grüne und FDP sie überhaupt verhindern können?

Die Vorsitzposten werden der Reihe nach entsprechend der Fraktionsgröße besetzt. Als erstes war dieses Mal also die SPD dran, dann kamen Union, Grüne und FDP, bevor die AfD das erste Mal zugreifen konnte. Nach ihr waren SPD und Union ein zweites und auch noch ein drittes Mal an der Reihe, bevor die Grünen zum zweiten und die kleine Linke zum ersten Mal aussuchen durften, gefolgt vom zweiten Zugriff der FDP - und immer so weiter, bis alles verteilt war.

Traditionell übernimmt die größte Oppositionsfraktion, diesmal die Union, den Vorsitz des mächtigen Haushaltsausschusses. Dass sie nicht den Innenausschuss genommen hat, ist ihr kaum vorzuwerfen - der Haushaltsausschuss ist ein wichtiges Instrument, die Regierung zu kontrollieren. Die SPD entschied sich zunächst für den Auswärtigen Ausschuss, die Grünen nahmen den Europaausschuss und die FDP den Verteidigungsausschuss - womit der Innenausschuss noch zu haben war, als die AfD das erste Mal zum Zug kam.

Klar ist, dass der AfD eine feste Zahl an Ausschussvorsitzenden zusteht. Und in den Ausschüssen, die SPD, Grüne und FDP zuerst gewählt haben, wäre eine Führung durch die AfD ebenfalls pikant gewesen, etwa mit Blick auf die EU-Skepsis der Rechtspopulisten oder angesichts rechtsextremer Netzwerke in der Bundeswehr. Doch in der Hierarchie von Außen, Innen, Verteidigung und Europa dürfte letzterer Ausschuss der am wenigsten schwergewichtige sein. Warum haben sich die Grünen ihn dann als erstes gegriffen? Zu hören war am Mittwoch, dass es keine Absprache der drei Koalitionsfraktionen gegeben habe - jede habe für sich entschieden, welche Prioritäten sie setzen wolle.

Die Grünen sagen, es sei um Inhalte gegangen - nicht um die Versorgung eines Parteifreunds

Die neue Fraktionsspitze der Grünen wollte sich am Mittwoch nicht zu der Entscheidung äußern - und auch nicht verantwortlich sein für das Ergebnis. Britta Haßelmann, die neue Fraktionschefin, war noch in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin unmittelbar an der Verteilung der Ausschüsse beteiligt. Zur Entscheidung für den Europaausschuss hatte sie gesagt: "Es ist natürlich ein wichtiger Punkt: Europa und eine wertegeleitete Menschenrechtspolitik." Aber auch Klimapolitik, Flucht, Asyl oder Rechtsstaatlichkeit seien "viele Gründe dafür, sich für Europa zu entscheiden". Es sei daher eine "klare Entscheidung" gewesen.

Den wohl wichtigsten Grund aber nannte Haßelmann nicht. Er heißt Anton Hofreiter. Der langjährige Grünen-Fraktionschef war bei der Verteilung der Ministerposten nicht zum Zug gekommen. Nun wird er Vorsitzender des Europaausschusses. Ob Hofreiters Versorgung es wert war, der AfD den Innenausschuss zu überlassen, ließen die beiden neuen Fraktionsvorsitzenden der Grünen am Mittwoch auf Anfrage unbeantwortet.

Vom Koalitionspartner FDP kam kein böses Wort. "Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass die AfD den Vorsitz des Innenausschusses nicht bekommt", sagte der frisch gewählte Fraktionschef Christian Dürr der Süddeutschen Zeitung. Aber leider könne man nicht verhindern, dass eine Partei, die in den Bundestag gewählt wurde, Anspruch auf eine solche Position habe: "Aus meiner Sicht wäre es auch schwierig, wenn die AfD den Vorsitz etwa in den Ausschüssen für Verteidigung, Außenpolitik, Europa oder gar Menschenrechte übernommen hätte."

Die zwei anderen Ausschüsse, die künftig von der AfD geleitet werden, sind Entwicklung und Gesundheit. Angesichts der weitverbreiteten Haltung in der Partei, die Corona-Pandemie zu verharmlosen, ist letzteres ebenfalls brisant.

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