AfD in Thüringen:So sieht der Anti-Islam-Kurs der AfD in der Praxis aus

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"Teil eines langfristigen Landnahmeprojekts": AfD-Fraktionschef Björn Höcke erklärt in Erfurt, wie er den geplanten Moscheebau in Erfurt verhindern will. (Foto: dpa)

Eine muslimische Gemeinde will in Erfurt eine Moschee bauen. AfD-Landeschef Höcke sieht das als Teil eines "Landnahmeprojekts" und kündigt Widerstand an - mit Unterstützung von Pegida.

Von Paul Munzinger

Wie hält es die AfD mit dem Islam? In der Theorie ist diese Frage rund um den Programm-Parteitag in Stuttgart ausführlich erörtert worden, von Partei-Mitgliedern wie von besorgt-faszinierten Beobachtern. Das eindeutige Fazit der Partei: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland."

In Erfurt bietet sich nun die Gelegenheit, den Islam-Kurs der AfD einem ersten Praxistest zu unterziehen. Die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft will eine Moschee in der Hauptstadt Thüringens bauen lassen, es wäre der erste Neubau eines muslimischen Gotteshauses im Freistaat. Die AfD will das verhindern. Ihre Kampagne lässt erahnen, wie schmutzig es werden dürfte, wenn die Partei sich in den kommenden Monaten und Jahren über den Widerstand gegen einen angeblich expansiven Islam zu profilieren sucht.

Björn Höcke, Fraktionschef in Thüringen, wo die AfD besonders deutschtümelnd auftritt, hatte den geplanten Bau Ende vergangener Woche als "Teil eines langfristigen Landnahmeprojekts" bezeichnet. Die Muslime werden in dieser Logik zu Eroberern, die AfD zur ersten Verteidigungslinie - und Erfurt zum Testfall einer antimuslimischen Eindämmungspolitik. Am Dienstag stellten Höcke und seine Fraktion nun ein Maßnahmenpaket vor, das den Bau dieser Moschee verhindern und den Bau jeder anderen Moschee in Zukunft praktisch unmöglich machen soll.

Die AfD will innerhalb wie außerhalb des Landtages mobil machen. Auf Antrag der achtköpfigen Fraktion findet am Mittwoch im Parlament eine Aktuelle Stunde unter dem Motto "Moscheebauten in Thüringen - Nicht gegen den Bürgerwillen!" statt. Überhaupt soll "das Volk" an derartigen Bauvorhaben früher beteiligt werden, das sieht ein Gesetzentwurf der Partei vor. Die AfD will außerdem Initiativen aus der Bevölkerung unterstützen. Auf der AfD-Mittwochsdemonstration wird Björn Höcke eine Grundsatzrede zu dem Thema halten. Auch ein Grußwort von Pegida ist geplant.

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"Eine Bedrohung des Abendlandes? Lächerlich"

Die Pläne für ein muslimisches Gebetshaus im Erfurter Stadtteil Marbach sind noch im Anfangsstadium. Eine Bauvoranfrage liegt bei der Stadtverwaltung, Ende des Jahres könnte der Grundstein gelegt werden. Ein einstöckiges Gebäude von der Größe eines Zweifamilienhauses soll dort entstehen, sagt Abdullah Uwe Wagishauser, Bundesvorsitzender der Ahmadiyya-Gemeinde. Das Haus soll den etwa 70 Gemeindemitgliedern in Erfurt Platz zum Beten bieten; bisher tun sie das im Wohnzimmer eines Gemeindemitglieds. Eine "verhältnismäßig kleine Moschee" also, sagt Wagishauser. Es sei "lächerlich, daraus eine Bedrohung des Abendlandes herleiten zu wollen. Aber die AfD braucht offenbar solche Aufreger."

Eine Kuppel soll das Haus als Moschee erkennbar machen. Auch ein Minarett soll es geben, allerdings nur zur Zierde: Von diesem elf Meter hohen Turm würde kein Muezzin Gläubige zum Gebet aufrufen. Für die AfD mache das keinen wesentlichen Unterschied, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Möller. Kuppel und Minarett signalisierten Präsenz und vermittelten, so Möller, die Botschaft: "Wir sind da und wir passen uns nicht an. Akzeptiert das gefälligst." Ein "derart fremdartiges Gebäude" für die 70-köpfige Gemeinde in Erfurt sei überdies "kaum zu rechtfertigen".

Die Pläne in Erfurt sind das dritte Moscheebau-Projekt der Ahmadiyya-Gemeinde in den neuen Bundesländern. Vor einigen Jahren wurde das Gotteshaus in Berlin-Pankow fertiggestellt, nachdem es auch dort zum Teil "böse Proteste" gab, wie Wagishauser sagt. Tausende Neonazis hätten gegen den Bau protestiert. Heute sei alles ruhig, die Moschee in der "Normalität angekommen". In Leipzig liegt eine Genehmigung vor, mit dem Bau soll bald begonnen werden. Auch hier habe es Proteste gegeben, aber auch viel Unterstützung, sagt Wagishauser. Die erfahre man nun auch in Erfurt, von den Parteien, von den Kirchen. Der Versuch, das Verständnis der Bevölkerung in Marbach zu wecken, gestalte sich aber schwierig, räumt Wagishauser ein.

Die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat-Bewegung (AMJ) wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Indien gegründet. Mit nach eigenen Angaben Dutzenden Millionen Anhängern in mehr als 200 Ländern bezeichnet sie sich als größte islamische Gemeinde der Welt. Die AMJ stehe für die "absolute Kompatibilität von Islam und Grundgesetz", sagt Wagishauser, der sich der Gemeinde in den 70er Jahren anschloss. "Als Muslim kann ich Erfurter, Thüringer, Deutscher sein. Das ist überhaupt kein Widerspruch."

Kritik und Dialog

Anders als die AfD von allen Islamverbänden behauptet, sei die AMJ keine ethnische oder nationale, sondern eine rein religiöse Gemeinschaft, betont Wagishauser. Als erster islamischer Organisation wurde der Gemeinde vor drei Jahren in Hessen und später in Hamburg der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Sie ist damit den christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt.

Wie auch der Zentralverband der Muslime in Deutschland, der die AfD einerseits heftig angegriffen und Partei-Chefin Frauke Petry andererseits am kommenden Montag zu einem Gespräch eingeladen hat, setzt auch die AMJ auf eine Mischung aus deutlicher Kritik und offensivem Dialog mit der Anti-Islam-Partei. Anfang Mai lud sie Petrys Co-Sprecher Jörg Meuthen in eine Moschee in der Nähe von Stuttgart ein. Und am vergangenen Donnerstag trafen sich Vertreter von AMJ und AfD im Thüringer Landtag, ebenfalls auf Initiative der muslimischen Gemeinde.

Wagishauser, der an dem Treffen ebenso teilnahm wie Möller auf Seiten der AfD, spricht von einer "höflichen und freundschaftlichen Atmosphäre", betont aber auch, dass die Thüringer AfD auf ihre Sonderrolle als erzkonservative Hardliner stolz gewesen sei. Am Ende habe man ihm ein Papier überreicht, auf dem die Partei Maßnahmen gegen den Islam zusammengefasst habe. Das Papier habe aber vor allem offenbart, wie wenig die AfD über den Islam wisse, sagt Wagishauser. "Das war alles so widersprüchlich."

Verwundert hat ihn das nicht: Keiner seiner fünf Gesprächspartner von der AfD habe jemals eine Moschee von innen gesehen. Vielleicht können sie das ja bald nachholen, mitten in Erfurt.

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