AfD:Die AfD fühlt sich in einer Art Wagenburg

Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg

Der Fraktionsvorsitzende der baden-württembergischen AfD Jörg Meuthen.

(Foto: dpa)
  • Jörg Meuthen galt der AfD lange als Feigenblatt für den wirtschaftsliberalen Flügel der Partei.
  • In Baden-Württemberg fällt seine Partei jedoch durch gezielte Provokationen statt professionelle Arbeit im Landtag auf.
  • Wohin die AfD steuert, ist unklar. Meuthen indes wähnt sich längst wieder auf dem aufsteigenden Ast.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Jörg Meuthen spielt gern mit Wörtern. So war das auch, als er zuletzt im Parlament über das deutsch-türkische Verhältnis sprach und dabei behauptete, Deutschland genüge immer weniger den Anforderungen an einen Rechtsstaat. Die Massenimmigration, die Euro-Rettung - für ihn klare Rechtsbrüche. CDU und SPD seien in diesen Fragen nicht zu unterscheiden. Mehrmals verwob der AfD-Fraktionsvorsitzende die Namen Martin Schulz und Angela Merkel, bis er zur finalen Pointe gelangte: Deutschland sei ein "Schurkelstaat". Man musste genau hinhören, um das "l" statt des "n" zu erkennen.

Mit solchen Provokationen müsse man sich eben "Gehör verschaffen im parlamentarischen Betrieb", sagt Jörg Meuthen. Es geht um die Frage, wie die AfD Baden-Württembergs sich geschlagen hat seit dem 13. März vergangenen Jahres. Mit 15,1 Prozent zog sie als stärkste Oppositionsfraktion in den Landtag ein. Wenig später wurde Meuthen auf dem Bundesparteitag gefeiert, als er den Begriff "links- rot-grün-versifftes Achtundsechziger-Deutschland" in die Welt setzte. Der Karlsruher Wirtschaftsprofessor, gleichberechtigter Bundessprecher neben Frauke Petry, schien zur Nummer eins einer künftigen Volkspartei AfD aufsteigen zu können.

Die AfD laboriert an Schulz-Boom und Höcke-Affäre

Und nun: Die AfD leidet unter Schulz-Boom und Höcke-Affäre. Die Umfragewerte sinken in Bund und Land. Meuthens Einfluss in der Bundespartei hat gelitten unter den Affären seiner Fraktion. Die AfD scheint überzogen zu haben mit ihrer Spirale von Skandalen und Provokationen. Meuthen empfiehlt mit Blick auf die Bundestagswahl: Ruhe bewahren und Reihen schließen. Er spricht von "Kinderkrankheiten einer jungen Partei". Die müsse man aber schleunigst ablegen.

Die Liste der Stuttgarter Krankheitsbilder ist ohne Ende. Im Streit um den offenkundig antisemitischen Abgeordneten Gedeon spaltete sich unter Führung Meuthens ein Flügel ab und kehrte alsbald wieder zurück. Gedeon ist aus der Fraktion ausgetreten, aber seine Verbannung missfällt einigen, etwa dem Abgeordneten Räpple. Der weigerte sich nach der Wiedervereinigung zunächst, wie vereinbart eine Erklärung gegen Rassismus und Antisemitismus zu unterschreiben. Im Parlament tut er sich mit Zwischenrufen der Kategorie "Volksverräter" hervor, vergangene Woche wurde er des Plenarsaals verwiesen. Gegenüber einem Fraktionskollegen soll er schon handgreiflich geworden sein.

Die Abgeordnete Martin, andererseits, trat aus der Partei aus, weil sie einen Rechtsruck nicht mittragen wolle. Der Abgeordnete Fiechtner wurde abgestraft, weil er gegen die Fraktionsdisziplin verstoßen haben soll. Vermutlich machen die AfD-Abgeordneten mehr Schlagzeilen als die Kollegen anderer Parteien zusammen. Aber der Eindruck hat sich verfestigt: Zu professioneller Arbeit sind sie nicht fähig.

Meuthen werden immer wieder Lügen vorgeworfen

"Wir haben zuweilen zu wenig Disziplin in der Außendarstellung", formuliert Chef Meuthen. Einen Fehler nennt er den Antrag, die Landeszuschüsse für die französische NS-Gedenkstätte Gurs zu streichen. Der wurde wegen der öffentlichen Empörung zurückgezogen. Immer wieder muss sich Meuthen den Vorwurf gefallen lassen, er verbreite Lügen, er lasse die rechten Hardliner gewähren. Die Stimmung im Parlament ist oft am Rande der Hysterie. Und die AfD fühlt sich in einer Art Wagenburg. "Die komplette Nicht-Beachtung und auch Nicht-Achtung durch die anderen Parteien lässt uns natürlich nicht kalt", sagt Meuthen. "Wenn andere Redner etwas Vernünftiges sagen, applaudieren wir. Aber wenn einer von uns redet, herrscht Grabesstille - oder es gibt wütenden Protest, wenn wir Klartext reden."

Die große Stunde der AfD hätte schlagen können, als die anderen Fraktionen sich über eine bessere finanzielle Ausstattung der Abgeordneten verständigten. Die Empörung war groß im Land. Dass die AfD an den Gesprächen nicht beteiligt war und dagegen votierte, ging in der Öffentlichkeit fast unter. Wer andauernd gegen einen "Schurkelstaat" trommelt, dem hört man irgendwann nicht mehr zu.

Innerhalb der Wagenburg wähnt sich Jörg Meuthen wieder auf dem aufsteigenden Ast. Die Abspaltung in der Affäre um Gedeon trug ihm den Ruf des Egomanen ein, mittlerweile glaubt er zwei Drittel bis drei Viertel der AfD-Gemeinde hinter sich. In den sozialen Netzwerken komme vor allem seine Haltung zu Björn Höcke gut an. Er hat sich gegen einen Parteiausschluss des Thüringers wegen dessen Dresdner Rede ("Denkmal der Schande") ausgesprochen. "Das wird innerparteilich überwiegend geteilt", sagt Meuthen. Er verstehe jeden, der erschrecke bei diesem Höcke-Duktus, der "üble Assoziationen" wecke. "Ich halte Höcke aber für einen intelligenten Menschen und glaube, er kann lernen, diesen Duktus, der auch ihm selbst massiv schadet, zu ändern." Die Rede habe der Partei nicht gutgetan. Aber einen Ausschluss halte er weder für politisch angemessen noch für juristisch durchsetzbar. Wobei er natürlich das Votum des Bundesvorstands respektiere.

Meuthen galt als Feigenblatt des wirtschaftsliberalen AfD-Flügels

Nach dem Abschied von Bernd Lucke galt Jörg Meuthen als Feigenblatt für den wirtschaftsliberalen Flügel der AfD. Das war ein Missverständnis. Er bekennt sich ausdrücklich zu seinen konservativen Überzeugungen. Mit Höcke teilt er die Meinung, es drohten in Deutschland angesichts der Zuwanderung irgendwann bürgerkriegsähnliche Zustände. Hin und wieder kokettiert er damit, sein Professorenleben sei doch angenehmer gewesen als dieser aufreibende Politikjob, der dazu beitrug, seine Ehe zu zerrütten. Doch er hat dazugelernt im politischen Grabenkampf.

Beim letzten Parteitag der Südwest-AfD verhinderte Meuthen mit einer Rede, dass Alice Weidel zur Landes-Chefin gekürt wurde. Weidel, Spitzenkandidatin der Südwest-AfD für den Bundestag, gilt als Vertraute von Frauke Petry. Das Amt eroberte ein Vertrauter Jörg Meuthens. Der beharrt darauf, ihm sei es allein um das Wohl des Landesverbands gegangen. Doch er leugnet nicht, dass Weidel hinterher zu ihm sagte: "Du hast mich abgeschossen." In der Politik kommt das einem Ritterschlag gleich.

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