Süddeutsche Zeitung

AfD in Berlin:Diese AfD-Politiker sitzen künftig im Berliner Abgeordnetenhaus

25 Parteimitglieder ziehen in das Landesparlament ein. Darunter sind stramme Rechte, ehemalige CDUler - und kaum Frauen. Eine Auswahl.

Von Karin Janker und Oliver Das Gupta

Die AfD zieht zum ersten Mal ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Insgesamt werden der Partei 25 Sitze im Landesparlament zufallen, der Großteil davon geht an Männer. Die SZ stellt acht Mandatsträger vor.

Georg Pazderski zog als Spitzenkandidat für die Berliner AfD in den Wahlkampf und ist zusammen mit Beatrix von Storch Chef des Landesverbands. Pazderski ist als Sohn eines Polen und einer Deutschen in der Pfalz aufgewachsen. Der 64-Jährige war 41 Jahre lang Offizier bei der Bundeswehr. Für die Nato leitete er die Logistik-Abteilung im Joint Force Command in Lissabon. Im Vergleich zu seiner Co-Chefin Storch gilt Pazderski als gemäßigt, er gehört zum nationalkonservativen Flügel der AfD. Die Aufgabe seiner Partei sieht er darin, dafür zu sorgen, dass "Deutschland nicht verschwindet", so Pazderski im Wahlkampf. In Bezug auf das Berliner Abgeordnetenhaus sagte Pazderski auf dem Landesparteitag, er wollen "diesen Augiasstall hier ausmisten".

Eines der fünf AfD-Direktmandate hat Kay Nerstheimer errungen. Der Sieger des Wahlkreises Lichtenberg 1 zeigt seine stramm rechte Gesinnung ungeniert. Laut Publikative.org war Nerstheimer früher bei der rechten Splitterpartei "Die Freiheit" engagiert und wollte die rechtsextreme Gruppierung "German Defence League" zu einer "Miliz" ausbauen. Auf Facebook postete er in der jüngeren Vergangenheit geschichtsrevisionistische Beiträge ("Alles eine LÜGE! - die echten Kriegsursachen von 1939") und fabuliert über "Wahlfälscher in der BRD". Nerstheimer, Jahrgang 1964, soll im Sicherheitsgewerbe tätig sein.

Ebenfalls in der AfD-Fraktion sitzen wird Hans-Joachim Berg. Berg ist Bezirksvorstand in Steglitz-Zehlendorf, dem mächtigsten AfD-Bezirksverband in Berlin. Seit Januar ist der Rechtsanwalt außerdem stellvertretender Landesvorsitzender. Berg, Jahrgang 1948, arbeitete in der Bundestagsverwaltung und war mehr als dreißig Jahre lang CDU-Mitglied. Darüber witzelt er gerne mit Sätzen wie "Ich war der erste Mann der AfD im Bundestag". Berg unterstützt den Anti-Islam-Kurs seiner Partei und sagt: "Der Islam, wie er sich selbst versteht, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar." Nationalismus lehne er allerdings ab, sagt er. Berg, der selbst Abteilungsleiter bei der Deutschen Welle war, möchte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umgestalten.

Ronald Gläser stand auf Platz drei der AfD-Wahlliste und hat es ebenfalls ins Abgeordnetenhaus geschafft. Gläser, Jahrgang 1973, ist Vorstandsmitglied im Bezirk Pankow und Pressesprecher der Berliner AfD. Gläser arbeitet als Journalist und ist Redakteur bei der rechten Zeitung Junge Freiheit, einer Wochenzeitung, die als Sprachrohr der Neuen Rechten gilt. In seinen Texten klingt er mal homophob, mal streut er einschlägige Vokabeln wie "Faschismuskeule" ein, mal fragt er verallgemeinernd: "Können wir der Justiz trauen?" In einer Spiegel-Titelgeschichte über Adolf Hitler und Winston Churchill vermisste Gläser Fragen an "wirklich wichtigen Stellen", wie zum Beispiel: "Was passiert wäre, wenn die Engländer uns Deutschen 1939 nicht ohne Not den Krieg erklärt hätten." (Zum historischen Hintergrund hier und hier).

Auf Twitter bezeichnet sich Gläser selbst als "Journalist, Katholik, Freiheitlicher". Er war früher einmal FDP-Mitglied und gehörte dort zu den Unterstützern Jürgen Möllemanns und zum Rechtsaußen-Flügel der Partei. Gemeinsam mit anderen Möllemann-Anhängern organisierte Gläser nach dessen Tod eine Mahnwache in Berlin, auf der er Spekulationen über einen gewaltsamen Tod des Politikers verbreitete. Auch auf Twitter gibt sich Gläser gerne spekulativ-suggestiv:

Mit seiner Meinung manchmal alleine steht der künftige Abgeordnete Frank-Christian Hansel. 1964 in Wiesbaden geboren, hat Hansel die Berliner AfD mitgegründet und wurde auf dem Gründungsparteitag 2013 direkt zum Landesschatzmeister gewählt. Im Brandenburger Landtag war er Fraktionsgeschäftsführer, außerdem vorübergehend Bundesgeschäftsführer. Beruflich ist Hansel in der Immobilienbranche tätig, außerdem als Unternehmensberater für deutsche Firmen in Lateinamerika. Vor seinem Eintritt in die AfD war Hansel Landesvorsitzender der Freien Wähler, noch früher SPD-Mitglied. Mit dem Parteiprogramm der AfD ist Hansel nicht immer auf einer Linie: Das Kopftuchverbot für Schülerinnen und Studentinnen beispielsweise lehnt er ab. Auch die Abschaffung des Mindestlohns sieht er kritisch. Hansel sagt, der Rapper Bushido "sympathisiere mehr oder weniger offen mit uns" und versichert, dass seine Partei nicht homophob sei. AfD und schwul - "das geht prima", sagt Hansel, der mit einem Brasilianer verheiratet ist.

Mit Platz 14 auf der Wahlliste war ihm ein Sitz im Abgeordnetenhaus nicht sicher, dank des Wahlergebnisses hat es aber auch Stefan Franz Kerker ins Parlament geschafft. Kerker war wie viele andere AfD-Mitglieder früher in einer anderen Partei: Noch vor seinem Abitur trat er in die CDU ein. Er blieb engagiertes Mitglied bis 2014, als ihn nach eigenen Angaben die Euro-Krise zum Austritt bewog. Kerker, Jahrgang 1977, ist stolz darauf, "Weddinger in der vierten Generation" zu sein. Damit ist er einer der wenigen in der Berliner AfD, die tatsächlich aus Berlin stammen. Kerker ist Versicherungskaufmann und Vater von drei Kindern. Außerdem ist der Berliner, der für den Bezirk Mitte antrat, Mitglied der fakultativ schlagenden Sängerschaft Borussia, zu deren Mitgliedern auch der bisherige CDU-Innensenator Frank Henkel gehört.

Harald Laatsch, Listenplatz sieben, gibt als Beruf Unternehmensberater an, außerdem "Mittelständler in Marketing und Werbung". Der gebürtige Hagener kam laut eigener Aussage 2009 nach Berlin. Laatsch war im Wahlkampf in sozialen Netzwerken unterwegs und trommelte für die AfD. Vor allem aber beschimpfte und schmähte er andere: Bundespräsident Joachim Gauck nannte er einen "Russlandhasser und Kriegstreiber, der nach 45 wieder gegen Russland zu marschieren bereit ist". Den Erfolg der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern kommentierte er mit dem Spruch, seine Partei "verdrängt Extremisten von Grüne + NPD aus Schweriner Landtag".

Auf seiner Homepage hat er ein paar Blogeinträge veröffentlicht. In einem Beitrag wirft er Bundesjustizminister Heiko Maas "die Kriminalisierung von Verbaltätern" vor. In anderen Beiträgen arbeitet sich Laatsch am Anti-AfD-Song von Jennifer Rostock ab und wettert gegen die Verschärfung des Strafrechts für Sexualstraftaten. Nicht die ausländischen "Vergewaltiger" seien das Ziel, sondern der "weiße hetero Mann" (sic) und seine "Einhegung".

Gewählt ins Abgeordnetenhaus ist auch Thorsten Weiß, Platz neun auf der AfD-Liste. Politisch ist der ehemalige Bundeswehroffizier kein Neuling. Weiß war früher mal in der CDU, in die AfD trat er Ende 2014 ein. Weiß, Jahrgang 1983, studiert BWL, aber vor allem macht er Politik. Bislang fungiert er als Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Potsdamer Stadtrat, außerdem hat er noch ein paar Parteiämter inne. Im Wahlkampf setzte er vor allem auf das Thema innere Sicherheit, erzählte von seiner Freundin, die auf der Straße angepöbelt worden sei und nannte das U-Bahnfahren in Berlin einen "einzigen Albtraum". Weiß hat gute Verbindungen nach Thüringen zu Björn Höcke, wo er bereits mit seinem radikal rechten Parteifreund auftrat. In seinen Reden verwendet Weiß einschlägige nationalistisch-völkische Floskeln, er beklagt eine "dekadente und den Volkwillen missachtende Politik" einer "volksfeindlichen Politikerkaste".

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