Süddeutsche Zeitung

AfD im Aufschwung:Pegidas Partei

  • Drei Monate sind vergangen, seit die AfD sich auf ihrem Parteitag in Essen teilte und 4000 Mitglieder die Partei verließen.
  • Das darauf folgende Tief ging schnell vorüber: Inzwischen liegt die AfD laut einer Forsa-Umfrage bundesweit bei sieben Prozent.
  • Der Aufschwung der inzwischen offen rechtspopulistischen Partei hat viel mit der Flüchtlingskrise zu tun.

Von Cornelius Pollmer, Dresden, und Jens Schneider, Berlin

Nach der Widersprüchlichkeit von Björn Höcke muss man nicht lange suchen, sie beginnt schon bei seinem Selbstbild. Höcke ist Mitglied des Thüringer Landtages, inszeniert sich aber gern als Anti-Politiker. Er sitzt in diesem Landtag der AfD vor, zugleich aber will er draußen, auf den Straßen von Erfurt, eine Art außerparlamentarische Opposition anführen.

Und während drinnen im Landtag schon drei Mitglieder die Fraktion im Dissens mit Höcke verlassen haben, aus Protest gegen seine rechtsnationale Positionierung, bekommt der Parteichef draußen weiter Zulauf. Zum vierten Mal rief die Thüringer AfD am Mittwoch zu einer Demonstration "gegen Politikversagen" auf - und wer sich in der Vorwoche schon über 5000 Teilnehmer gewundert hatte, konnte sich diesmal über eine noch größere Zahl wundern: 8000 Teilnehmer, so eine Schätzung der Polizei.

Höcke schimpfte auf "niederträchtige Attacken der Altparteien-Politiker" sowie auf angeblich "einseitige und verleumderische Presseberichterstattung" - Jubel. Und Jubel auch für Höckes Gast Alexander Gauland, den AfD-Obersten aus Brandenburg. Gauland nahm Bezug auf die Wir-schaffen-das-Kanzlerin, dann machte er den sicheren Punkt: "Wir wollen das gar nicht schaffen."

In Umfragen liegt die Partei bundesweit bei sieben Prozent

Drei Monate liegt der Parteitag von Essen zurück, bei dem sich die AfD nach Wochen gnadenlosen Streits teilte. Der rechte Flügel stieß den eher bürgerlich konservativen Kreis um den AfD-Gründer Bernd Lucke ab und legte dabei keinerlei Wert auf bürgerliche Umgangsformen. Gleich danach verließen 4000 Mitglieder die Partei, viele schlossen sich Luckes Neugründung namens Alfa an.

In Umfragen rutschte die Partei ab, wobei die in Essen gewählte Führungsspitze um Frauke Petry intern Gelassenheit demonstrierte. Der Einbruch sei erwartbar, die AfD werde sich erholen. Das Tief ist schneller vorbei, als selbst die AfD-Spitze angenommen hatte, die mit einer Durststrecke bis vor die Landtagswahlen im nächsten Frühjahr gerechnet hatte. Laut einer Forsa-Umfrage liegt die AfD inzwischen bundesweit bei sieben Prozent, in Bayern gar bei neun, in Sachsen erreichte sie kürzlich in einer Umfrage 13 Prozent, lag gleichauf mit der SPD.

Auch in der AfD weiß man, dass dieser Aufschwung mit der eigenen Performance wenig, dafür aber viel mit der Flüchtlingskrise zu tun hat. Nach dem Essener Parteitag wurde die AfD öffentlich kaum noch wahrgenommen. Auf die zahlreichen Berichte über die internen Fehden folgte ein Vakuum. Es gab wenige öffentliche Initiativen, sie tauchten zudem selten in den Medien auf. Aber das hindert in Zeiten des Internets eine Partei wie diese nicht am Wiederaufstieg.

Die Vorsitzende Frauke Petry rief vor einigen Wochen eine Herbstoffensive aus, man wollte auf Straßen und Plätzen zeigen, dass die Partei weiter lebendig sei. Der wöchentliche Aufmarsch in Erfurt gehört zu dieser Offensive. Die AfD knüpft dabei bei einem Satz an, für den der AfD-Chef von Nordrhein-Westfalen in Essen heftigen Beifall erhielt.

Er nannte die AfD "Pegida-Partei", und dementsprechend präsentiert sie sich denn auch vor allem im Osten offen rechtspopulistisch. Und längst vergessen sind die Beschwörungen von Petry gleich nach dem Essener Parteitag, wonach unter ihrer Führung die Zuwanderungspolitik nicht alles dominieren und die AfD zudem bestimmt nicht nach rechts rücken werde.

Mitgliederschwund angeblich wieder ausgeglichen

Dass die AfD als "Pegida-Partei" trumpfen könnte, dagegen hat vor allem einer etwas: Lutz Bachmann. Mitte September kündigte der Pegida-Gründer an, eine eigene Partei gründen zu wollen, die von den Kommunen bis zum Bund auf allen Ebenen antreten solle. Während die AfD noch auf die "Altparteien" schimpft, schimpfte Bachmann auf die AfD, deren "Karrieristen" versuchen würden, Pegida zu kapern.

Der Dresdner Kreisvorstand der AfD sekundierte und warnte zugleich: Eine Parteigründung sei "kein Zuckerschlecken", dennoch: "Nur zu, Herr Bachmann!" Frauke Petry wiederum sieht in dem Erstarken und der Gründungsabsicht von Pegida die Gefahr einer Spaltung konservativer Wählerschichten. Während Pegida sich weiter radikalisiert und dennoch auf zuletzt 9000 Teilnehmer angeschwollen ist, will die AfD auch in Sachsen im Zuge der Herbstoffensive regelmäßig zu Demonstrationen laden.

Ihren Einbruch bei den Mitgliedern hat die Bundespartei nach eigenem Bekunden schon fast wieder ausgeglichen. Mehr als ein Dutzend Eintritte gebe es pro Tag, sagt ein Sprecher, die Partei habe rund 18 500 Mitglieder, weitere 2000 Anträge seien in der Prüfung. Die von Bernd Lucke gegründete Alfa-Partei erlebt ebenfalls starken Zuwachs, rund 2600 Eintritte gab es bisher. Einige Landesverbände befinden sich noch in der Gründungsphase. Bisher aber konnte die Abspaltung der AfD laut Umfragen kaum Anhänger abspenstig machen.

Die AfD-Spitze will nun die Situation nutzen, um auch jenseits von Erfurt und Dresden mit spektakulären Auftritten Schlagzeilen zu machen. An diesem Freitag will Petry in Berlin mit Thesen zur Asyl-Politik die Kanzlerin angreifen.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2015/fued
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