Wie hältst du es mit Björn Höcke? Diese Frage schwelte in der Alternative für Deutschland (AfD) schon lange vor der "Dresdner Rede", die Höcke am 17. Januar gehalten hat. Darin forderte der Thüringer AfD-Chef mit Blick auf den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Nazi-Diktatur sprach er von einer "dämlichen Bewältigungspolitik". Der Fall stellt die Partei erneut vor die Zerreißprobe: Schafft es die AfD, sich vor der Bundestagswahl von rechtsextremen Personen zu lösen, um nicht die bürgerliche Mitte zu vergraulen - oder setzt sie gezielt auf Rechtsausleger wie Höcke?
Die Mehrheit des AfD-Bundesvorstands hat in dieser Woche ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke beschlossen. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass der völkisch-nationale Politiker tatsächlich die AfD verlassen muss?
Die Antwort lautet: wenig wahrscheinlich. Dafür spricht nicht nur, dass Parteikollege Alexander Gauland trotz der Debatte eine Kandidatur Höckes bei der Bundestagswahl begrüßt. Sondern vor allem, dass es in der jüngeren Vergangenheit schon andere Parteiausschlussverfahren gegen Mandats- und Funktionsträger gab. Mal ging es um Rassismus, mal um Antisemitismus, mal um Neonazi-Kontakte - oder die Kombination aus mehreren Punkten. Doch die Vorwürfe reichten den Parteigerichten nicht aus. Eine Auswahl:
Wolfgang Gedeon sitzt für die AfD im Landtag von Baden-Württemberg. Der Arzt, der früher Kommunist war, ist Anhänger von antisemitisch eingefärbten Verschwörungstheorien. In seinem Pamphlet Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten von 2012 zeigt er Sympathien für Holocaust-Leugner. Außerdem regte er sich über die zentrale Lage des Mahnmals der ermordeten Juden Europas in Berlin auf - ähnlich wie Höcke. Wegen der Vorwürfe gegen Gedeon spaltete sich die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Inzwischen ist Gedeon zwar fraktionsloser Abgeordneter, aber nach wie vor Mitglied der Partei - ein Ausschlussverfahren läuft bislang ergebnislos.
Ein weiteres Verfahren läuft gegen Kay Nerstheimer, Beisitzer des Vorstands der AfD Berlin-Lichtenberg. Auf seiner mittlerweile gelöschten Facebook-Seite hatte er syrische Flüchtlinge als "widerliches Gewürm" beschimpft. Homosexuelle bezeichnete er als "degenerierte Spezies", Asylbewerbern warf er vor, sich von den "Lebenssäften des deutschen Volkes" zu ernähren. Äußerungen, die zur Vergangenheit Nerstheimers passen: 2012 war er als Berliner Chef der rechtsextremen Gruppe German Defence League aufgetreten. Der Berliner Landesverband wirft Nerstheimer parteischädigendes Verhalten vor, das Schiedsgericht hat noch nicht entschieden. Nerstheimer sitzt derzeit fraktionslos im Berliner Abgeordnetenhaus.
Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Höcke, Gedeon und Nerstheimer sind gut belegt, dank Screenshots von Facebook-Einträgen, Fotos und Youtube-Videos. Doch die Partei lässt bisher keine klare Position im Umgang mit Rassisten und Rechtsextremen in den eigenen Reihen erkennen. Deswegen ist es möglich, dass die Parteiausschlussverfahren schließlich scheitern, so wie schon einige vor ihnen. Teile des Bundesvorstands versuchten in der Vergangenheit immer wieder, AfD-Mitglieder zu zwingen, Abstand zu Pegida oder rechtsextremen Organisationen zu halten - vor allem um bürgerliche Wähler nicht zu verschrecken.
- Ende 2014 kam es zu einem Ausschlussverfahren gegen Dubravko Mandic, nachdem der den damaligen US-Präsident Barack Obama als "Quotenneger" bezeichnete hatte. Nach einem Gespräch zwischen Mandic und dem AfD-Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg, Jörg Meuthen, wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Mandic ist selbst Vize-Vorsitzender des Landesschiedsgerichts in Baden-Württemberg, das im Fall Gedeon entscheidet. Wie Höcke gehört Mandic zur "Patriotischen Plattform" der AfD und steht der rechtsextremen Identitären Bewegung nahe.
- Holger Lücht hatte im Duisburger Stadtrat gemeinsam mit der rechtsextremen NPD abgestimmt, obwohl die AfD sich offiziell von deren menschenverachtenden Ideologie distanziert. Aufgrund des Drucks innerhalb der Partei trat er als Kreisvorsitzender zurück und wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Ein Parteiausschlussverfahren Ende 2014 scheiterte jedoch wegen eines Formfehlers.
- Der Brandenburger AfD-Politiker Jan Ulrich Weiß verbreitete bei Facebook eine antisemitische Karikatur. Zu sehen war eine Comicfigur mit Hakennase, daneben der Text: "Mein Name ist Jacob Rothschild." Und weiter: "Wir steuern deine Nachrichten, Medien, Öl und deine Regierung." Auch Weiß konnte nicht aus der Partei ausgeschlossen werden.
- Im August 2016 kippte das Bundesschiedsgericht eine Entscheidung des Parteivorstands, wonach AfD-Mitglieder nicht bei Pegida-Veranstaltungen als Redner auftreten dürfen. Anlass für die Entscheidung des Bundesvorstands war die Rede des sachsen-anhaltinischen Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, der Pegida-Gründer Lutz Bachmann für das Bundesverdienstkreuz vorschlug.
- Auch Heribert Eisenhardt konnte zuletzt nicht aus der Partei ausgeschlossen werden. Und das obwohl er als Pressesprecher des rechtsextremen Berliner Ablegers von Pegida aktiv war und an Neonazi-Demonstrationen teilgenommen hatte. Eisenhardt ist immer noch Mitglied der AfD und sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Lichtenberg.
- Vergeblich waren auch die Versuche der AfD-Spitze, den Landesverband im Saarland aufzulösen, der Kontakte in die Neonazi-Szene unterhielt. Im Oktober 2016 entschied das Bundesschiedsgericht gegen die Auflösung. Im März wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt.
Vom Ausschloss bedrohte AfD-Leute profitieren vom Machtkampf
Parteiausschlüsse wurden bei der AfD in der jüngeren Vergangenheit also angestrebt, aber kaum vollzogen. Auch der Versuch der Bundesvorstandsmehrheit um Parteichefin Frauke Petry, den Thüringer Höcke loszuwerden, dürfte demnach fruchtlos bleiben.
Die vom Ausschluss bedrohten AfD-Mitglieder profitieren meist vom internen Machtkampf zwischen dem Petry-Lager und den Anhängern von Höcke und Partei-Nestor Alexander Gauland. Petry, die nun Höcke loswerden will, bremste selbst im Sommer 2016 den Auschluss von Wolfgang Gedeon. Damals war es ihr Co-Parteichef Jörg Meuthen, der alles tat, um einen Trennstrich zwischen der AfD und dem mutmaßlichen Judenfeind Gedeon zu ziehen.
Meuthen nannte es damals "eine existenzielle Frage", ob es der AfD glaubhaft gelinge, sich von Extremismus und Antisemitismus abzugrenzen. "Schaffen wir es nicht, gehen wir unter." Etwas mehr als ein halbes Jahr später scheint Meuthen seine eigene Warnung nicht mehr allzu ernst zu nehmen: Er macht sich heute für den Verbleib Höckes in der AfD stark.