AfD:Gemäßigt - und gegangen

AfD-Landeschef Pazderski kandidiert nicht mehr für den Vorstand

Georg Pazderski, 68, früher Oberst in der Bundeswehr und seit 2016 an der Spitze der AfD Berlin, hatte sich 2017 vergeblich darum bemüht, Co-Chef der Bundespartei zu werden.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Georg Pazderski gibt den Landesvorsitz in Berlin auf. Im Ringen um seine Nachfolge geht es auch darum, wie weit die Partei nach rechts rückt.

Von Markus Balser, Jens Schneider, Berlin

Wie es weitergeht? Bei der AfD in Berlin gibt es einige offene Fragen. Zum Beispiel die nach dem richtigen Ort. An diesem Wochenende sollte das Berliner Ballhaus Pankow, ein 1880 gegründetes Ausflugslokal, den schon mehrfach verschobenen Landesparteitag beherbergen. Der Mietvertrag ist seit Dezember unterschrieben. Doch nach einem Gespräch mit linken Aktivisten schickte der Wirt Anfang Januar die Kündigung - wohl aus Sorge wegen möglicher Proteste. Eine Klage der AfD vor dem Berliner Landgericht soll das Treffen nun noch retten. Doch ob das gelingt, ist offen. "Der Parteitag findet hier sicher nicht statt", heißt es beim Wirt. "Der Parteitag findet dort garantiert statt", erklärt die AfD. Das Gericht ließ am Mittwoch offen, wann eine Entscheidung fällt.

Sollte es zu dem Treffen kommen, wird es entscheidend für die Berliner AfD sein. Die Versammlung ist aber auch bedeutend für den bundesweiten Richtungsstreit - vor allem, weil sich der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski aus der Landesspitze zurückzieht. Der 68-jährige frühere Bundeswehroffizier war bisher der exponierteste Vertreter der gemäßigteren Rechten in der AfD. Er gehörte lange dem Bundesvorstand an, sammelte aber spektakuläre Niederlagen. So scheiterte er schon 2017 mit dem Versuch, an der Seite von Jörg Meuthen Parteichef zu werden - wohl auch, weil er Gegner im äußerst rechten Lager hat.

Pazderski zählt zu den wenigen, die sich stets öffentlich gegen den rechten Flügel um Björn Höcke stellten. Anders als die amtierenden Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla würde Pazderski wohl gern ganz auf Höcke und seine Weggefährten verzichten. Im letzten Sommer gehörte er zu den Unterzeichnern eines Appells gegen Höcke, der den Thüringer AfD-Landeschef zur Mäßigung aufforderte. Die Quittung kam auf dem folgenden Bundesparteitag in Braunschweig vor einem Vierteljahr. Bei den Wahlen zum Bundesvorstand fielen die bekanntesten Unterzeichner durch, auch Pazderski.

Nun gibt er auch den Vorsitz der Berliner Landespartei auf. Als Grund nennt er selbst vor allem die hohe Arbeitsbelastung, da er gleichzeitig Fraktionschef im Abgeordnetenhaus sei. "Wir stehen 2021 vor drei Wahlen - im Bund, im Land und in den Bezirken", sagt er. Die Abwehr einer Beobachtung von Teilen der AfD durch den Verfassungsschutz binde enorme Kräfte. Er wolle sich auf seine Funktion als Fraktionsvorsitzender konzentrieren. Im Vorfeld des Parteitags warnt Pazderski aber auch vor einem Rechtsruck: "Es gibt einzelne Personen, die sich das möglicherweise wünschen." Wer Kurs und Programm der Partei an den politischen Rand verschieben will, werde ihn zum Gegner haben.

Der Berliner wirbt seit Langem dafür, die AfD für Regierungsbündnisse mit der CDU und der FDP zu öffnen. Er will, dass die Partei sich dafür verändert. Die AfD Berlin sollte für einen Kurs stehen, "der darauf abzielt, in absehbarer Zeit politische Verantwortung zu übernehmen", schrieb er 2018 in einem Strategiepapier und verlangte, dass seine Partei zwar "wo erforderlich gezielt provozieren", sich aber "von Hassparolen, tumber Wortwahl und Lärm um nichts fernhalten" sollte. Aber die AfD scheitert immer wieder an sich selbst, Pazderski will nun eine härtere Gangart. So will er, dass zwei Politiker gehen, die Redakteuren des SWR auf einer Demonstration vor zwei Wochen gedroht hatten. Dabei geht es um den Gemeinderat Dubravko Mandic und den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Stefan Räpple: "Beide sollten die Partei schnell verlassen oder müssen ausgeschlossen werden", so Pazderski.

Mit Blick auf die nächsten Wahlen in Berlin hätte er gern gehabt, dass die AfD Verbindungen zur CDU und der FDP aufbauen sollte. Das stieß bei den Umworbenen auf Ablehnung und löste in der eigenen Partei Unmut aus, in der AfD steht man schnell unter dem Verdacht der Anbiederung.

Völlig offen ist, wer Pazderski folgt. Als möglicher Kandidat gilt der Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio. Er ist wegen seiner migrationsfeindlichen Reden selbst intern umstritten. Seine Versuche, einen höheren Posten in der AfD zu bekommen, scheiterten zuletzt. Chancen könnte auch Curios Fraktionskollegin Beatrix von Storch haben. Ebenso der innenpolitische Sprecher der AfD im Abgeordnetenhaus, Karsten Woldeit, oder auch der Spandauer Bezirksstadtrat Andreas Otti.

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