Süddeutsche Zeitung

AfD:Gegen die Grundordnung

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Richtet sich eine Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, kann sie vom Verfassungsschutz überwacht werden. Nach monatelanger "Verdachtsgewinnung" ist dies bei der AfD-Nachwuchsorganisation der Fall.

Von Ronen Steinke, Berlin

Es hat in der politischen Diskussion einen kleinen Knall gegeben, als Niedersachsens Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger am Montag verkündete, ihre Behörde werde künftig die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) beobachten. Damit hat sie, gleichzeitig mit ihren Kollegen in Bremen, einen bundesweiten Konsens der Verfassungsschutzämter aufgekündigt, der bislang lautete: Die AfD wird nicht beobachtet. In der Praxis aber ist noch nicht viel geschehen. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ein Inlandsgeheimdienst. Es hat den Auftrag, "Bestrebungen" zu beobachten, die sich gegen die "freiheitlich demokratische Grundordnung" Deutschlands richten. So steht es im niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz. In den anderen Bundesländern und auf Bundesebene sind die Regeln fast wortgleich. Was am Montag geschehen ist, war erst mal nur ein bürokratischer Akt auf Papier: Die Verfassungsschutzpräsidentin in Hannover teilte ihrem zuständigen Innenminister mit, dass sie bei der JA nach monatelanger "Verdachtsgewinnung" nunmehr eine "Bestrebung" im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sehe. Und der Minister, Boris Pistorius (SPD), genehmigte ihren Antrag, mit der Beobachtung loszulegen.

Auch eine Partei, die im Landtag sitzt, kann überwacht werden. So war es bei der NPD

Diese besteht erst einmal nur weiter in dem, was zur "Verdachtsgewinnung" schon bisher unternommen worden ist: im Sammeln und Auswerten von öffentlich zugänglichen Informationen, zum Beispiel Facebook-Postings, öffentliche Äußerungen oder Interviews. Erst in der kommenden Woche wird sich in Niedersachsen entscheiden, ob auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel gegen die JA eingesetzt werden dürfen. Das wäre dann die nächste Stufe der Beobachtung: das Ausspionieren. Dazu zählt das heimliche Mitlesen von E-Mails, oder auch das Anwerben von sogenannten V-Leuten, die ihr Insiderwissen aus einer Gruppierung gegen Geld an die Verfassungsschutzbeamten verraten. In Hannover wird ein geheimes Gremium zusammentreten, die G-10-Kommission. Diese kleine Runde von ehemaligen Politikern und Richtern entscheidet dann, ob die vom Verfassungsschutz vorgelegten Informationen ausreichen, um die örtliche JA als verfassungsfeindliche Bestrebung von "erheblicher Bedeutung" zu bewerten. Erst dann ist das Ausspionieren zulässig. In regelmäßigen Abständen wird das Gremium das dann immer wieder überprüfen.

So ähnlich ist das Verfahren in allen Bundesländern und auch im Bund geregelt. Gegen die Entscheidungen des Verfassungsschutzes und der G-10-Kommission können die Betroffenen vor dem Verwaltungsgericht klagen. In Niedersachsen soll die AfD dies bereits planen. So dürfte die dortige Justiz sich demnächst positionieren - auch zu der interessanten Frage, ob politische Parteien, die sich an Wahlen beteiligen wie die AfD, einen besonderen Schutz genießen und nur unter erhöhten Voraussetzungen beobachtet werden dürfen. Die Tatsache, dass eine Gruppierung im Bundes- oder Landtag sitzt, blockiert nicht prinzipiell ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Als die NPD noch in ostdeutschen Landtagen saß, wurde sie zugleich intensiv überwacht. Das Beispiel NPD zeigt auch, was für praktische Folgen mit einer Beobachtung einhergehen. Zwar wird die Partei - oder ihre Nachwuchsorganisation - dann im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Trotzdem aber behält sie das Recht, kommunale Räume zu nutzen und fürs Erste auch Parteienfinanzierung zu beziehen.

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SZ vom 05.09.2018
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