AfD-Vize über Österreich:Gaulands krude Geschichtsstunde

Gauland of the anti-immigration party AfD is  pictured during a news conference in Berlin

Betreibt Geschichtsklitterung - oder kennt Geschichte doch nicht so gut: AfD-Mann Alexander Gauland.

(Foto: REUTERS)
  • AfD-Vizechef Gauland behauptet, Deutschland und Österreich seien bis 1866 "ein Land" und "ein Staat" gewesen.
  • Gauland spielt auf den "Deutschen Bund" an, bei dem es sich nur um einen Staatenbund handelte.
  • Der renommierte österreichische Historiker Rauchensteiner nennt Gaulands Aussagen "völlig falsch".

Von Oliver Das Gupta

Alexander Gauland gilt als einer der klügsten Köpfe der "Alternative für Deutschland". Bei seinen politischen Freunden ist der 75-Jährige so angesehen, dass er die ausländerfeindliche Partei wohl in den Bundestagswahlkampf 2017 führen wird.

Gauland kokettiert mit seiner Bildung, er zitiert gerne Martin Luther und zieht große historische Vergleiche. Doch ein Interview mit dem österreichischen Fernsehsender ATV lässt Zweifel aufkommen, wie es um das Geschichtswissen des Rechtspopulisten bestellt ist: Entweder sind Gaulands Geschichtskenntnisse ziemlich mau - oder er verfälscht bewusst die Vergangenheit.

Der AfD-Vizechef behauptet in der Sendung "Klartext - Europas Rechte" hartnäckig, dass Deutschland und Österreich bis 1866 "ein Land" gewesen seien. Die Sendung wird am Montagabend ausgestrahlt, die Süddeutsche Zeitung hat sie sich vorher angesehen.

Widerspruch aus Wien

Gauland zeigt sich in dem aufgezeichneten Gespräch distanziert gegenüber dem rechtsextremen Front National von Marine Le Pen aus Frankreich ("Da hab ich schon Sprachschwierigkeiten"). Anders bei der radikal rechten FPÖ aus Österreich. Diese sei der AfD bis zu einem gewissen Grade am nächsten, sagt Gauland und versteigt sich zu der Aussage: Österreich und Deutschland waren eins, man "war immerhin bis 1866 ein Land".

Der Interviewer Martin Thür reagiert irritiert und hakt nach. Gauland gibt sich felsenfest überzeugt, dass er richtig liegt und verweist auf den "Deutschen Bund". Man sei bis zum preußisch-österreichischen Krieg von 1866 "großdeutsch" gewesen. "Wir waren ein Staat."

Diese Aussage ist entweder dreist - oder blamabel für Gauland. Wahrscheinlich eher Letzteres. Er scheint wirklich nicht zu wissen, was der "Deutsche Bund" war. Auf jeden Fall ist Gaulands Geschichtsstunde ziemlich krude. Beim "Deutschen Bund" handelte es sich nämlich nur um einen Zusammenschluss souveräner Einzelstaaten, ein Staatenbund, heute vergleichbar mit der Afrikanischen Union. Luxemburg war übrigens auch Teil des "Deutschen Bundes", eine gemeinsame Währung gab es damals nicht - da ist ein großer Teil der Europäischen Union heute schon weiter. Und die EU bezeichnet Gauland ja auch nicht als "ein Land".

Manfried Rauchensteiner, einer der renommiertesten Historiker Österreichs, widerspricht Gaulands Behauptung entschieden. "Die Aussage ist völlig falsch", sagte der langjährige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien zur SZ. "Österreich und Deutschland waren nur für sieben Jahre 'ein Land' - und zwar nach dem Anschluss" - also nach dem Einmarsch von Hitlers Wehrmacht 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Historisch zutreffend sind andere Ausführungen Gaulands, die allerdings der FPÖ unangenehm sein dürften. Es geht um die Wurzeln der sogenannten "Freiheitlichen". Die werden von der FPÖ ebenso ungern in der Öffentlichkeit diskutiert, wie die Vergangenheit ihres Parteichefs Heinz-Christian Strache in der Neonazi-Szene.

Gauland sagt, er wisse, "wo das Denken der FPÖ herkommt (...) Da hat es die Deutschen gegeben, die sich im Reich (Kaiser) Franz Josephs nicht mehr so zu Hause fühlten." Der AfD-Vize nennt "Bewegungen", die den Anschluss an das Deutsche Reich forderten. Bei diesen Gruppierungen handelte sich um die Alldeutschen des berüchtigten Judenhassers Georg von Schönerer, nach dem Ersten Weltkrieg die Großdeutsche Volkspartei, deren Mitglieder später zur NSDAP überliefen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sammelten sich viele Alt-Nazis in der FPÖ, die beiden ersten Parteichefs waren SS-Veteranen (hier mehr dazu). Die "großdeutsche" Traditionslinie lebt im Milieu der österreichischen Burschenschaften weiter, die inzwischen den Großteil der FPÖ-Führungsriege stellen.

Das heikle Erbe zeigt sich etwa auch dann, wenn der Burschenschaftler und heutige FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer mit einer Kornblume posiert - es war das Erkennungszeichen der antisemitischen und österreichfeindlichen Alldeutschen (hier mehr dazu). Im von Hofer federführend erstellten Parteiprogramm ist deshalb die Formulierung zu finden, Österreich sei Teil der "deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft".

Die Parteioberen selbst beteuern in der Öffentlichkeit, die Kornblume am Revers stehe für die "Freiheitsbewegung" (Strache), oder das Gewächs sei die "Europablume" (Hofer). Denn großdeutsche Phantasien, wie sie in rechten österreichischen Kreisen durchaus zu finden sind, will die FPÖ auf keinen Fall im Wahlkampf an die große Glocke hängen. Dort gibt sich die deutschnationale FPÖ stramm rot-weiß-rot - in der Hoffnung auf konservative Wähler.

Wenn Gauland nun im österreichischen Fernsehen die antiösterreichischen und antisemitischen Wurzeln der FPÖ anspricht, kann das also nicht im Sinne der Freiheitlichen sein. Und die Geschichtsklitterung vom gemeinsamen "Land" der Deutschen und Österreicher dürfte das Ansehen für Alexander Gauland in Wien wohl auch nicht gerade vergrößern, zumindest nicht bei der breiten Mehrheit der Bevölkerung. Oder wie es der Historiker Rauchensteiner formuliert: "In Österreich mag man es überhaupt nicht, in dieser Weise vereinnahmt zu werden."

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