Süddeutsche Zeitung

Streit um Rechtsaußen Kalbitz:AfD-Politiker attackieren AfD-Politiker

Der Ausschluss von Andreas Kalbitz durch das Parteigericht zieht tiefe Gräben. Mehrere Politiker kritisieren jetzt den Ehrenvorsitzenden Gauland - dieser hatte die Entscheidung des Gremiums als politisch motiviert bezeichnet.

Von Jens Schneider, Berlin

In der AfD streitet die Parteispitze heftig über die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der Partei, die Mitgliedschaft des Rechtsaußen Andreas Kalbitz zu annullieren. Mehrere Landesvorsitzende der Partei übten massive Kritik an Aussagen des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, der auch Fraktionschef im Bundestag ist.

Gauland hatte gegenüber der Welt die Unabhängigkeit des Parteigerichts in Frage gestellt und erklärt, dass er sich in diesem Fall "einzig und allein nach den Entscheidungen und Urteilen der ordentlichen Gerichtsbarkeit richten" werde. Die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der AfD gegen Kalbitz sei offensichtlich durch politische Interessen motiviert, sagte er.

Kalbitz ist aus der AfD ausgeschlossen worden, weil er laut Einschätzung des Bundesvorstands bei seinem Eintritt eine rechtsextreme Vergangenheit verschwiegen hat. Kalbitz bestreitet das und will gegen den Ausschluss klagen. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Landgericht Berlin wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag versandt.

Vor Gauland hatte Björn Höcke, ein enger Weggefährte von Kalbitz, die Entscheidung des Parteigerichts als "Willkür" bezeichnet. Der Landesvorsitzende der AfD in Nordrhein-Westfalen, Rüdiger Lucassen, kritisierte Gauland gegenüber der ARD, der Ehrenvorsitzende stelle mit seiner Kritik "die Struktur unserer Partei in Frage". Die Chefin des niedersächsischen AfD-Landesverbands, Dana Guth, sprach von einer völlig unangemessenen Kritik und forderte von Gauland eine Entschuldigung. Die bayerische AfD-Chefin Corinna Miazga zeigte sich über Gaulands Äußerung "sehr unglücklich".

Richter des Parteischiedsgerichts nennen Gauland-Kritik "peinlich"

Zuvor hatten die Richter des Parteischiedsgerichts Gaulands Kritik in einem Schreiben als "peinlich" bezeichnet und ihm haltlose Unterstellungen vorgeworfen, "die eines Ehrenvorsitzenden der AfD unwürdig sind". Sie schrieben ihm, dass sie als ehrenamtliche Schiedsrichter unmittelbar aus der Mitte der Partei gewählt und unabhängig in ihrer Entscheidung seien. Als das höchste gewählte Parteigremium sei das Bundesschiedsgericht "einzig und allein den Gesetzen und den Parteistatuten verpflichtet".

Es sei "um die rechtsstaatliche Verfasstheit der Partei schlecht bestellt", wenn aus der Partei eine schiedsgerichtliche Entscheidung öffentlich als "willkürlich" oder "Schauprozess" verunglimpft beziehungsweise nicht anerkannt werde, und der Ehrenvorsitzende diesen Stimmen noch beispringe, klagten die Unterzeichner des Schreibens. Sie fragten Gauland in ihrem Brief: "Wie wollen Sie eigentlich jemals wieder ernsthaft und glaubwürdig die Verstöße unserer politischen Gegner gegen die Rechtstaatlichkeit in unserem Land anprangern, wenn Sie in Ihrer eigenen Partei die Rechtstaatlichkeit mit Füßen treten?"

Dagegen verteidigte der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla, der die Partei gemeinsam mit Jörg Meuthen führt, Gauland gegen die Kritik. Der Ehrenvorsitzende habe "die AfD in schwerer Zeit auf Kurs gebracht", erklärte Chrupalla. "Seine mahnenden Worte zur Lage der Partei sollten wir nicht abtun, sondern sie als wichtiges Korrektiv anerkennen." Gauland selbst bekräftigte am Donnerstag gegenüber der Süddeutschen Zeitung seine Kritik am AfD-Bundesschiedsgericht. "Ich halte das Urteil und die ganze Vorgehensweise für falsch", sagte er.

Der dem äußerst rechten Lager zugerechnete Kalbitz will unterdessen die AfD-Fraktion in Brandenburg weiter führen. Der Bundesvorsitzende Meuthen will das nicht akzeptieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4984800
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.07.2020/jobr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.