Maximilian Krah ist spät dran, er eilt durch die schon ziemlich vollen Reihen der frisch gewählten AfD-Abgeordneten, auf der Suche nach seinem Platz. Symbolisch ist das passgenau, denn es ist an diesem Dienstagmorgen fraglich, wie sich Krah einfügen soll in die AfD-Fraktion – und ob er sich künftig überhaupt die Mühe machen muss, nach einem Platz zu suchen. Denn die Fraktionsführung um Alice Weidel und Tino Chrupalla hatte offengelassen, ob Krah in die Fraktion aufgenommen wird, eine Mehrheit der Abgeordneten hätte dies bei der ersten Sitzung der neuen AfD-Bundestagsfraktion verhindern können. Bald aber ist klar: Maximilian Krah, vergangenes Jahr noch im Parteivorstand, EU-Spitzenkandidat und nach Affären tief gefallen, wird Teil der AfD-Bundestagsfraktion. Es gab nicht einmal einen Antrag, ihn auszuschließen, oder eine Debatte darüber, sagen Sitzungsteilnehmer später.
Selbst der AfD, die schon viele interne Affären als Schmutzkampagnen der angeblichen Systempresse abgetan hat, war es vergangenes Jahr zu viel geworden mit ihm. Da war Krahs offensive Nähe zu Russland, Auftritte auf der Internetplattform „Voice of Europe“, die Putins Weltsicht in Europa verbreitete, mutmaßlich gegen Geld aus Russland. Sicherheitsbehörden verhafteten vergangenen April einen von Krahs damaligen Assistenten im EU-Abgeordnetenbüro wegen des Verdachts der Spionage für China, was der rechtsnationalen AfD den Vorwurf einbrachte, sie habe „Volksverräter“ in ihren Reihen.
Im vergangenen Sommer war Krah weitgehend isoliert
In dieser Lage stellte sich Krah in einem Interview mit der italienischen La Repubblica ausgerechnet vor die SS: Nicht alle Mitglieder der NS-Truppe, die auch in Konzentrationslagern im Einsatz war, seien Verbrecher gewesen, meinte er kurz vor der Europawahl Anfang Juni. Marine Le Pen, Chefin von Frankreichs rechtsnationalem Rassemblement National, kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit der AfD auf. Die AfD-Führung drängte Krah zum Rückzug aus dem Europawahlkampf, die AfD-Gruppe im EU-Parlament nahm ihn nicht als Mitglied auf. Krah war isoliert.
Auf dem Bundesparteitag im Sommer in Essen räumte ihn Parteichefin Alice Weidel offen zur Seite. Parteiarbeit sei „Mannschaftssport“, man müsse „Rücksicht nehmen“ und „sich einordnen“, auch „talentierte Spieler können sich festrennen“, sagte sie mit Blick auf Krah. In der Parteispitze warfen sie ihm vor, er mache Alleingänge und halte sich nicht an Absprachen.
Er sei auf der „Ersatzbank“ gewesen und jetzt wieder im Spiel
Krah hielt das für Unfug und arbeitete an einem Comeback über eine Kandidatur im Bundestag – gegen den Willen der Parteispitze. Der frühere Rechtsanwalt ist ein guter Redner, einer der bekanntesten AfD-Politiker, omnipräsent in sozialen Medien und gut vernetzt im rechtsextremen Landesverband Sachsen. Dort holte er bei der Wahl an diesem Sonntag nun ein Direktmandat mit mehr als 44 Prozent der Erststimmen.
Dienstagmittag erscheint Krah gut gelaunt vor dem Sitzungssaal im Bundestag und zeigt sich versöhnlich. Alice Weidel habe ihn zur Begrüßung umarmt, das sei eine „freundliche Geste“ gewesen. Für die Zwangspause nimmt er Weidels Sprachbild vom Parteitag auf: Er sei auf der „Ersatzbank“ gewesen und jetzt wieder im Spiel. Nun strebe er einen Sitz im Europaausschuss an. Mehr Ambitionen zeigt Krah, der mit einem unzerstörbaren Selbstbewusstsein ausgestattet ist, an diesem Dienstag noch nicht. Die AfD-Abgeordneten bestätigten Weidel und Tino Chrupalla mit breiter Mehrheit als Fraktionschefs.
Gegen Matthias Helferich läuft in NRW ein Parteiausschlussverfahren
Auch den zweiten fragwürdigen AfD-Abgeordneten, Matthias Helferich, nimmt die Fraktion an diesem Tag ohne Gegenantrag in ihre Reihen auf. Der Jurist war durch Vergleiche seiner Person mit dem Nationalsozialismus und dem damaligen obersten NS-Strafrichter Roland Freisler aufgefallen, in sozialen Medien hatte er zudem ein Bild geteilt, auf dem ein Duftbaum mit der Aufschrift „Raus mit die Viecher“ zu sehen ist, und dazu geschrieben: „Super. #remigration“. Unter dem Begriff versteht die AfD die Massenausweisung von ausländischen Staatsbürgern ohne Bleiberecht.
Für die extreme Rechte in der Partei, zu der Helferich zählt, umfasst dies Millionen Menschen, die der Social-Media-Post offenbar mit dem Begriff „Viecher“ gleichsetzt. Die Aussagen seien ironisch gewesen, die Posts nicht so gemeint, sagt Helferich vor dem Sitzungssaal. Er ist sichtlich erleichtert. Im AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen läuft wegen seiner Äußerungen ein Parteiausschlussverfahren gegen Helferich. Mindestens konterkariert wird dieses nun durch seine Aufnahme in die Bundestagsfraktion.
Der geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, sagte am Dienstagabend, die Aufnahme der beiden „Schreckensfiguren der AfD“ in die Fraktion offenbare eine „zynische Arroganz“.