AfD-Landesparteitag im Südwesten:Feigenblatt in Erklärungsnot

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AfD-Sprecher Jörg Meuthen (rechts) will sich an diesem Wochenende zum Landeschef seiner Partei in Baden-Württemberg wählen lassen.

(Foto: AFP)
  • Der Wirtschaftswissenschaftler Jörg Meuthen will sich an diesem Wochenende zum Vorsitzenden der Südwest-AfD wählen lassen.
  • Meuthen lobt sein Verhältnis zum brandenburgischen Landeschef Alexander Gauland, der mit Pegida liebäugelt. Ausländerfeindliche Meinungen in seiner Partei hält er aber für Ausnahmeerscheinungen.
  • Von Bernd Lucke, dem er eigentlich politisch nahe steht, distanziert er sich.
  • Das Abschneiden der Südwest-AfD bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2016 könnte über das Schicksal der gesamten Partei entscheiden.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Christopher Street Day ist ein besonderer Tag für Stuttgart. Auch der stellvertretende Ministerpräsident Nils Schmid macht an diesem Samstag den Schwulen und Lesben seine Aufwartung, und sogar Daimler ist bei der Parade mit einem Truck vertreten. Ein Tribut an den langjährigen Kampf der Homosexuellen gegen ihre Diskriminierung. Der Karlsruher Jörg Meuthen, zweiter Bundessprecher der AfD neben Frauke Petry, hat eine klare Haltung zu diesem Spektakel. "Meine Liberalität gebietet mir: Die sollen machen, was sie wollen", sagt er. "Aber ich finde diese plakative Zurschaustellung der Sexualität eher geschmacklos."

Meuthen ist ein Mann von gewinnender Freundlichkeit, als Wirtschaftswissenschaftler vertritt er liberale Thesen. Umso krasser wirkt seine gesellschaftspolitische Haltung. Ablehnung der gleichberechtigten Homo-Ehe, Ablehnung aller Versuche des Staates, Kinder zur Akzeptanz sexueller Vielfalt zu erziehen. Generell solle sich der Staat aus der Erziehung von Kindern heraushalten. Die klassische Familie will Meuthen, Vater von fünf Kindern, mit solchen Positionen verteidigen. "Kaum jemand", sagt er, "hat eine derart starke Lobby wie die Homosexuellen." Meuthen lächelt, aber er meint das ernst.

Ausländerfeindlich? - Meuthen fndet das absurd

Beim turbulenten Parteitag in Essen wurde Meuthen, Professor der Hochschule Kehl, an die Spitze der AfD gewählt. An diesem Wochenende will er sich beim Parteitag in Pforzheim zum Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg wählen lassen. Sein Vorgänger Bernd Kölmel hat mit Bernd Lucke die AfD verlassen. Ist der freundliche Professor Meuthen nun das wirtschaftsliberale Feigenblatt, das den Rechtsruck kaschieren soll?

Meuthen, 54, hat zum Gespräch auf die Terrasse seines Hauses geladen, wo er die Parteigeschäfte abwickelt. Alles ist neu für ihn, erst nach der Bundestagswahl 2013 trat er der AfD bei, er gehörte bis dahin keiner Partei an. Meuthen will nun nicht klagen über Journalisten, aber seine Eltern würden neuerdings von Bekannten zu hören bekommen: "Was macht denn euer Sohn bei diesem ausländerfeindlichen Haufen?" Er findet solche Thesen absurd, aber das ist doch die entscheidende Frage: Was machen Sie eigentlich bei dieser zumindest in Teilen ausländerfeindlichen Partei, Herr Meuthen?

Ausrücklich lobt er sein Verhältnis zu Alexander Gauland

Der Professor ringt um die richtige Antwort: "Die Leute, denen ich in Baden-Württemberg begegne, sind keine Ausländerfeinde. Ich kann nicht ausschließen, dass es in einigen Landesverbänden auch Leute gibt, die zum Thema Zuwanderung und Ausländer Positionen haben, die ich nicht für vertretbar halte. Wahrscheinlich gibt es die, bei so vielen Mitgliedern. Aber sie werden in der Partei niemals das Sagen haben."

Ausdrücklich lobt er sein kollegiales Verhältnis zum Brandenburger Landesvorsitzenden Alexander Gauland. Der sucht die Nähe zu Pegida und will Protestwähler jenseits des bürgerlichen Milieus ansprechen. Meuthen dagegen sagt, er wolle die AfD so positionieren: liberal, konservativ, bürgerlich. Fragt man Meuthen nach seiner Haltung zum Thema Asyl und Zuwanderung, fällt ihm der Vorschlag ein, aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge sollten zurück in ihre Heimat gebracht werden. Ansonsten: kaum Unterschiede zu CDU, SPD, FDP. Er wendet sich sogar dagegen, Asylbewerber aus dem Balkan zu stigmatisieren. Ob er damit in der AfD mehrheitsfähig ist?

Der Erfolg der Südwest-AfD könnte über die Zukunft der ganzen Partei entscheiden

Man kann Meuthens Rolle für die AfD gar nicht überschätzen. Wenn die Südwest-AfD bei der Landtagswahl 2016 nicht der Einzug ins Landesparlament gelingt, wenn sie gar Luckes Alfa unterliegt, könnte es um die ganze Partei geschehen sein. Etwa zwanzig Prozent der Mitglieder sind gegangen, darunter viele Funktionäre. Man trauert den guten Leuten nach, man misstraut anderen, die im Verdacht stehen, sie würden bleiben, um die Parteiarbeit zugunsten von Lucke zu sabotieren.

Meuthen versucht, den Verbliebenen Mut zu machen. Das Bild vom Rechtsruck stimme nicht, werde nur gezielt gestreut von Lucke und seinen Leuten. Dabei gehören selbst der als vergleichsweise moderat geltenden AfD-Südwest Leute an, die Barack Obama als "Quotenneger" bezeichnen, den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" vergleichen und vor einem "schleichenden Genozid der deutschen Bevölkerung" warnen. Das alles war Thema beim turbulenten Parteitag im Januar.

Meuthen muss nun aus Parteiräson Stimmung machen gegen Lucke. Er unterstellt ihm, er sei allzu staatsgläubig und anpasserisch gegenüber den Machtansprüchen der EU. Dabei schätzen sie einander, und sie haben ihre gemeinsamen Wurzeln im Widerstand gegen die Währungsunion. Der Euro als Sprengsatz für die politische Einheit: Von Anfang an habe er davor gewarnt, sagt Meuthen. Deshalb schmerze es ihn "körperlich", mit seiner Partei nun als Feind Europas zu gelten. Ob es an manchen Leuten liegt, mit denen er sich umgibt?

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