Es ist wenig wahrscheinlich, dass eine Mahnschrift die Kraft hat, zur Wahl der AfD entschlossene Bürger noch umzustimmen. Aber wer weiß. Drei Bücher, in denen die Partei kritisch untersucht wird, kommen in jedem Fall zur rechten Zeit. Vor und nach den Landtagswahlen im September liegen zwei Fragen nahe: Wie schlimm ist es – und wie schlimm kann es noch werden?
Also bitte demokratisch anschnallen: Die Publizistin Eva Kienholz erzählt die Geschichte der AfD als rasante Radikalisierungsfahrt. Es ist immer schlimmer geworden. Nach dem Vorsitzenden Bernd Lucke, der das Image einer biederen Professorenpartei erzeugt hatte, ging es mit aufheulender Rhetorik rasch auf die völkische Piste. Frauke Petry, Jörg Meuthen, schließlich Tino Chrupalla und Alice Weidel – und neben, unter oder über allen AfD-Spitzenleuten agitierte und intrigierte stets Björn Höcke mit seinem unverhohlen extremistischen Flügel.
Eva Kienholz präsentiert eine Fülle an Fürchterlichem
Höcke hatte schon 2018 – Jahre vor den Correctiv-Recherchen über rechtsextreme Remigrations-, sprich Deportationspläne – in gespieltem Bedauern darüber sinniert, dass „wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“. Rassismus ohne Tarnung. Eva Kienholz kann sich aus einer Fülle an Fürchterlichem bedienen. Ihre „kurze Geschichte der AfD“ ist so gesehen ein Gruselbuch.

Leider ist die Lektüre noch aus einem anderen Grund schwer durchzuhalten. In der AfD ist zwar viel passiert; das starre chronologische Erzählmuster nutzt sich aber irgendwann ab. Der Text hangelt sich von Parteitag zu Parteitag, Vorstand zu Vorstand, Aufreger zu Aufreger. Die Kapitel sind weitgehend gleich gebaut: eine Szene zur Einleitung, eine biografische Skizze der jeweiligen AfD-Figur, zentrale Zitate und Skandale. Das ermüdet. Die empörenden Inhalte sind sattsam bekannt und werden aufgeführt, ohne sie in eine größere Analyse zu spannen. Das „Denkmal der Schande“, der Marsch in Chemnitz, Alexander Gaulands „Wir werden sie jagen“ – knapp, fast stichwortartig, taucht alles wieder auf, jedoch ohne eine erhellende Idee zur Ordnung und Gewichtung.
Dass die Autorin in der AfD eine Gefahr sieht, lässt sie klar erkennen, dennoch bleibt ihr Buch an den Ereignissen haften. Eine Chronik soll genügen. Vergesslichen oder Jüngeren, denen die Anfänge der Partei kaum bekannt sind, mag das helfen. Für weiterführende Debatten über die AfD bringt das Buch wenig Neues oder Eigenes.
Michael Kraske und Dirk Laabs prognostizieren ein „böses blaues Wunder“
Michael Kraske und Dirk Laabs liefern mehr. Die beiden Journalisten haben tiefer gebohrt und breiten teils neue Erkenntnisse zu den Verbindungen zwischen der AfD und militanten Rechtsextremisten aus, beispielsweise zur sogenannten Gruppe Nordkreuz in Mecklenburg-Vorpommern, deren Mitglieder sich auf einen Umsturz („Tag X“) vorbereiten wollten.

Die Autoren zeichnen ein größeres Bild, indem sie die destruktive Kraft der AfD in unterschiedlichen Sphären nachweisen – in den Kommunen, den Parlamenten, in Justiz, Polizei und Bundeswehr. Auch sie warnen besonders vor Björn Höcke, dem sie „pure Demokratieverachtung“ bescheinigen und dafür so viele Belege bringen, dass sich nun wirklich keiner seiner Wähler damit herausreden kann, es gehe doch nur um ein bisschen Protest.
Käme die AfD an die Macht, würden die Menschen „ein böses blaues Wunder erleben“, schreiben Kraske und Laabs. Die Partei werde tief in die Lebenswelt eingreifen, auch in Schulen und Universitäten, Theater und Kulturinstitutionen. Um sich für den Angriff der AfD zu wappnen, genügt es aus Sicht der Autoren nicht, Organe wie das Bundesverfassungsgericht abzusichern und die Zivilgesellschaft zu stärken (dafür machen sie eher allgemeine Vorschläge wie das Intensivieren der politischen Bildungsarbeit). Sie dringen auf ein Verbot der Partei. Früher seien sie skeptisch gewesen, ob das sinnvoll wäre, nun aber zeigen sie sich überzeugt, dass die Existenz der AfD nicht länger hingenommen werden dürfe.

In dem Buch werden Argumente für und wider ein Parteienverbot genannt, die Autoren bilden sich ihre Meinung nicht leichtfertig. Sie sprechen von einem „tiefen Eingriff in die demokratische Praxis“, sehen dafür mittlerweile aber ausreichend gute Gründe. So gehe es auch darum, diejenigen zu schützen, die von ständigen Angriffen auf die Menschenwürde betroffen seien. Die AfD sei „eine akute Gefahr für unsere Demokratie“, die Beweislage erdrückend.
Phillip Ruch versucht es mit schriller Kraftmeierei
Während Kraske und Laabs noch vor einer „schleichenden Machteroberung“ und einer pseudodemokratischen Strategie der AfD warnen, malt sich Philipp Ruch in einem Wutbuch, in dem auch er ein Verbot der Partei verlangt, einen bizarren Bürgerkrieg aus. „Deutschland 2029“: Das Konrad-Adenauer-Haus geht in Flammen auf, Jens Spahn stirbt, Kitas werden geschlossen, die Bundeswehr wird für Reichsbürger geöffnet, Carola Rackete nach Einführung der Todesstrafe in der Spree ertränkt. Luisa Neubauer lebt im Exil in Mexiko, der Rechtsextremist Martin Sellner kommt durch einen Anschlag ums Leben, Xavier Naidoo komponiert ein Lied für ihn. Puh. Soll dieses viel zu konkret ausgeschmückte und viel zu genüsslich vorgetragene Szenario wachrütteln? Soll es witzig sein?

Philipp Ruch ist Aktionskünstler und Gründer des Zentrums für Politische Schönheit, das unter anderem damit Furore gemacht hat, vor dem Haus von Björn Höcke ein Holocaust-Mahnmal aufzubauen. Was als politische Kunstaktion vielleicht funktioniert, kann in Textgestalt schnell misslingen: Die Drastik in Ruchs Buch wirkt unangenehm künstlich.
Dass der Autor immer wieder Vergleiche zur NSDAP zieht und deren Gegner in der Weimarer Republik für couragierter hält als die Politiker der Gegenwart – na gut. Manches davon wie der Kampf des damaligen bayerischen Innenministers Karl Stützel gegen die Nazis ist interessant und beachtenswert im aktuellen Kontext. Doch Ruch belässt es nicht bei einer historisch informierten Analyse. Ihm genügt kein engagierter Ton, es muss unbedingt schrill werden. So bedient er sich penetrant bei Bildern aus der Hölle: Teufel, Satanisten, das reine Böse – die AfD wird auf einem Niveau beschrieben, als handle es sich um ein Schauermärchen für ungezogene Kinder. Wäre es eine Satire, könnte das unter Umständen gehen (vermutlich selbst dann nicht). Ruch meint es erkennbar todernst und streut dennoch billige Gags ein. Alice Weidel heißt bei ihm einfach nur „Deiwel“.

So verblassen leider die auch in diesem Buch reichlich gelieferten Belege für die Menschenfeindlichkeit der AfD hinter dem Willen des Autors, die Partei nicht nur verbieten zu lassen, sondern mit rhetorischer Kraftmeierei kleinzukriegen. Ruch beklagt an der AfD „Primitivität und Vulgarität im XXL-Format“, lässt sich jedoch selbst zu verbalen Ausfällen hinreißen, die primitiv zu nennen nicht schwerfällt. Zum Beispiel, als er davor warnt, die Gefahr, die von der AfD ausgehe, zu unterschätzen: „Tun. Sie. Das. Nicht. Nehmen Sie diese vulgären Dilettanten ernst.“ Wer möchte als mündiger Leser in diesem Domina-Duktus adressiert werden?
AfD-Anhänger würden „den Schaum aus Beelzebubs Einseiferei“ schlucken, das lässt Ruch ihnen nicht durchgehen. Dass sich die Bundesrepublik, sollte die Partei nicht verboten werden, sogleich in einen „AfD-Staat“ verwandelt, erscheint bei aller berechtigten Sorge allerdings so überzogen, dass der Eifer, mit dem hier gewarnt wird, zur Falle wird, weil viele Menschen sich kopfschüttelnd abwenden werden. In den kommenden Monaten und Jahren wird es aber gerade darauf ankommen, dass die vielen Gemäßigten und Konservativen in diesem Land die Bedrohung, die von der AfD ausgeht, realistisch einschätzen und nicht aus dem Blick verlieren. Dazu gehört die Gefahr, dass es der Partei immer besser gelingt, Debatten zu dominieren und das Land Schritt für Schritt in eine illiberale Richtung zu schieben – nicht in einem schnellen Staatsstreich, sondern auf einem längeren Weg und im Marsch durch die Institutionen.
Ruchs grelle Schrift ist zu schlicht. Für ihn geht es der AfD um „die Kultivierung von Bösartigkeit“. Mehr noch: um „Bösartigkeit in Reinform“. Das ist eine plumpe, letztlich unpolitische Analyse. Was soll sie jenseits moralischer Selbstvergewisserung zustande bringen außer einer gewissen Gruselwonne? Es ist eine Rhetorik, die mehr aufs Überwältigen als aufs Überzeugen zielt – eine Rhetorik, die zum Fratzenschneiden einlädt, nicht zum Nachdenken und klugen Handeln. Für Mätzchen ist die Lage aber tatsächlich viel zu ernst.