Mehrere Politiker und enge Vertraute der Alternative für Deutschland haben während sogenannter Wahlbeobachtungsreisen zu fragwürdigen Referenden in osteuropäische Regionen offenbar enge Kontakte zu einem mutmaßlichen Spion des russischen Nachrichtendienstes FSB unterhalten. Das legen Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung nahe. Im Zentrum steht ein polnischer Politiker namens Mateusz Piskorski, dem der polnische Generalstaatsanwalt bezahlte Spionage für Russland vorwirft. Dieser gründete zuerst in Warschau, 2016 dann in Berlin Vereine, die alternative Wahlbeobachtungen im Auftrag russisch beeinflusster Kleinststaaten veranstalten. Die Vereine geben vor, demokratische Strukturen fördern zu wollen, tatsächlich erteilen sie aber umstrittenen Abstimmungen, etwa zur Abspaltung der Krim von der Ukraine, Persilscheine.
Im Frühjahr 2016 hat Piskorski mit dem deutschen Journalisten Manuel Ochsenreiter eine deutsche Dependance gegründet, das "Deutsche Zentrum für Eurasische Studien". Ochsenreiter ist Vorsitzender, Piskorski Stellvertreter. Ochsenreiter, der die AfD-freundliche Zeitschrift Zuerst als Chefredakteur führt und dort auch über seine Reisen berichtet, gilt auf deutscher Seite als zentrale Figur für Russlandkontakte - zuletzt referierte er auf dem Russlandtag der AfD Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Zu den Vereinsgründern gehört auch der ebenfalls russlandfreundliche Chef der AfD-Jugendorganisation, Markus Frohnmaier, der früher Sprecher der Parteichefin Frauke Petry war und nun für Spitzenkandidatin Alice Weidel die Medienarbeit übernimmt. Ebenfalls dabei: der Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Rudy, ein eifriger Wahlbeobachter mit engen persönlichen Verbindungen in die Ukraine. Beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg haben sie ihren Verein im vorigen Frühjahr eintragen lassen, so berichtet es auch die Zeit in ihrer neuen Ausgabe. Im Protokoll der Gründungsversammlung ist Rudy als Wahlleiter vermerkt. Der Verein will Menschen- und Bürgerrechte überall in Europa durchsetzen, heißt es in der Satzung. Tatsächlich organisiert werden Wahlbeobachtungsreisen, etwa nach Donezk.
Mateusz Piskorski sitzt seit Mai 2016 in Polen in Untersuchungshaft
Die ostukrainische Stadt steht unter der Kontrolle russlandfreundlicher Rebellen. Viel konnte Ochsenreiters polnischer Freund Piskorski dazu nicht mehr beitragen - seit dem 18. Mai 2016 sitzt er in Warschau in Untersuchungshaft, die polnische Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm Spionage für den russischen Nachrichtendienst FSB vor. Es gibt Hinweise, dass er aufgrund nachrichtendienstlicher Informationen der Amerikaner und der Ukraine in Haft sitzt. Viermal hat die polnische Justiz die Untersuchungshaft verlängert, ohne dass es eine Anklageschrift gibt, die Akten sind als geheim eingestuft. Unterlagen, die WDR, NDR und SZ vorliegen, belegen jedoch, dass ihm Spionage für Russland und russische Propaganda in Polen vorgeworfen wird, es geht auch um seine Wahlbeobachtungsreisen sowie die Tätigkeit für ein Institut in Brüssel. Dafür soll Piskorski Geld vom FSB bekommen haben. Ein von seinen Anwälten beauftragtes Rechtsgutachten widerspricht den Vorwürfen nicht, kommt aber zu der Einschätzung, dass das, was Piskorski getan habe, nicht Spionage, sondern Propaganda sei, folglich nicht strafbar. So stellt es auch Piskorskis Warschauer Partner Marcin Domagała dar, der in Piskorskis Haft einen Verstoß gegen die Menschenrechte sieht. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde in erster Instanz abgewiesen, jetzt soll ein weiterer Vorstoß unternommen werden, heißt es aus Piskorskis Umfeld. Über Mittelsleute ist zu hören, dass Piskorski von russischer Seite lediglich Aufwandsentschädigungen bekommen habe. Auch Ochsenreiter sagt, nur Reisekosten würden von den einladenden Republiken übernommen, ansonsten fließe kein Geld. Der deutsche Verein sei seit der Verhaftung Piskorskis nahezu inaktiv. Mitgründer Thomas Rudy hingegen sagt, der Verein sei spendenfinanziert - Spendernamen will er nicht nennen.
Deutsche Sicherheitsbehörden sehen das anders. In einem als "geheim" eingestuften Bericht ordnen Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz Piskorski als bezahlten prorussischen Agitator ein. Moskau sei seit Längerem in ganz Europa bemüht, Meinungsführer und Parteien zu fördern, die positiv gegenüber Russlands Politik eingestellt sind, etwa die AfD. Piskorski, der in den vergangenen Jahren durch Russland finanziert worden sei und auf der Gehaltsliste mehrerer russischer Thinktanks gestanden habe, sei einer dieser Meinungsführer. Zum Krim-Referendum 2014 organisierte Piskorski eine Reise für insgesamt 30 teils rechtsextreme und rechtspopulistische Abgeordnete aus zehn EU-Staaten. Insgesamt sollen dafür von russischer Seite, so die deutschen Dienste, 270 000 Euro geflossen sein - zudem lägen Hinweise vor, dass diese vermeintlich neutrale Beobachtermission durch russische Dienste zumindest maßgeblich beeinflusst wurde.