Alternative für Deutschland:Warum die AfD in Niedersachsen schwächelt

Lesezeit: 3 min

Niedersachsens AfD-Chef Armin-Paul Hampel (Foto: REUTERS)
  • Bisher schien es so, als könne sich die AfD jede Art von Streit und Affären leisten. Diesmal aber war es den Wählern offenbar nicht egal.
  • Das Kernthema der Partei stand diesmal nicht im Mittelpunkt der Debatten.
  • Landeschef Paul Hampel und Spitzenkandidatin Dana Guth machten den Eindruck einer zerstrittenen Partei.

Von Jens Schneider, Berlin

Es war eine Art Regel, an die man sich bei der AfD gern gewöhnen wollte: Wo und wann immer gewählt wurde, die neue rechte Partei konnte sich zuletzt jede Art von Streit und Affären leisten, sie gewann dennoch. Ihren Wählern schien es egal zu sein, wer unter welchen Umständen für sie antrat. Skandale, auch Peinlichkeiten spielten keine Rolle. Auch für Niedersachsen erhoffte sich die Partei unter Führung des dort äußerst umstrittenen Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel, dass es so weiter gehen sollte. Nun zieht die Partei tatsächlich erstmals in den Landtag in Hannover ein. Es ist der 14. Landtag in Deutschland, und ihr Bundesvorsitzender Jörg Meuthen sagt, die AfD sei trotz ihres vergleichsweise schlechten Abschneidens die Partei mit den stärksten Zuwächsen. Aber das Ergebnis von rund sechs Prozent liegt deutlich unter den Erwartungen auch der Partei selbst, man hatte sich von der Bundestagswahl einen Schub erhofft.

In Niedersachsen hat es die AfD wie auch in Hamburg, Bremen oder Schleswig-Holstein schon immer schwerer gehabt als in den meisten anderen Bundesländern. Auch das Ergebnis bei der Bundestagswahl lag freilich unter dem Schnitt im Bund, aber doch bei 9,1 Prozent. Nun liegt die AfD an diesem Sonntag klar drunter, eine Erklärung dafür ist gewiss der Zustand des Landesverbands. Streit gehört zum Alltag in der AfD, aber nirgendwo haben sich die führenden Köpfe so öffentlich und nachhaltig zerstritten wie in Niedersachsen.

Ein Ermittlungsverfahren gegen Hampel wurde kurz vor der Wahl eingestellt

So kam die Spitzenkandidatin Dana Guth nur gegen den Willen des Landesvorsitzenden auf den ersten Platz der Landesliste. Sie war nicht seine Kandidatin, das verbarg Hampel lange nicht. Auch andere in der Partei hatten mit Guth ihre Probleme, die Kreistagsfraktion in ihrer Heimatstadt Göttingen schloss Guth erst vor Kurzem aus ihren Reihen aus. Als selbstherrlich wurde sie kritisiert, so wie Hampel auf Landesebene, ihm wurde ein diktatorischer Stil vorgeworfen. Guth klagte sich in dieser Woche wieder ein in die Kreistagsfraktion, vor Gericht, der Streit ist geblieben.

"Wir müssen uns jetzt endlich wieder an Inhalten messen lassen, nicht an Intrigen und Personalfragen", forderte Hampel am Wahlabend; da kursierte in der Partei schon die nächste interne Abrechnung mit ihm. Die Konkurrenz arbeitet an seiner Ablösung. So geht es seit Monaten. Auch die Justiz wurde von der niedersächsischen AfD von Streithähnen im Kampf um die Macht beschäftigt. Schon zu Jahresbeginn musste sich Hampel gegen eine Revolte wehren. Die Gegner beklagten sich öffentlich über den früheren ARD-Journalisten, er würde im innerparteilichen Wettkampf Kontrahenten mobben, interne Briefwechsel wurden an die Öffentlichkeit gespielt.

In der letzten Woche waren Details aus dem internen Streit der AfD in Niedersachsen auch Auslöser für eine Hausdurchsuchung wegen eines Betrugsverdachts gegen Hampel. Sein Privathaus wurde durchsucht, wenig schmeichelhafte interne Wortwechsel aus der AfD-Führung wurden derweil bekannt. Am Freitag entlastete die Staatsanwaltschaft Hampel aber. Das Ermittlungsverfahren wurde "hinsichtlich aller gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingestellt". Der Anfangsverdacht habe sich nicht bestätigt. Es blieb der Eindruck einer tief zerstrittenen Partei.

Das Kernthema der AfD stand diesmal nicht im Mittelpunkt

Doch es ist gewiss nicht allein der Zustand der Landespartei um Hampel, dem einzigen Duzfreund des Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alexander Gauland, in der AfD. Das Ergebnis in Niedersachsen könnte vor allem zeigen, wie die AfD bei Wahlen ausgebremst werden kann: durch Alternativen in der Konkurrenz der anderen Parteien. Im Wettstreit um die Staatskanzlei in Hannover standen sich der Spitzenkandidat der CDU, Bernd Althusmann, und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einer klaren Konfrontation gegenüber. Es ging um was, die Konfrontation prägte den Wahlkampf. In so einer Situation findet eine Protestpartei weniger Resonanz, insbesondere wenn ihr Kernthema, die Zuwanderung von Flüchtlingen, nicht im Mittelpunkt steht. "Wir haben hier sehr schwierige Bedingungen für alle kleineren Parteien gehabt durch diesen stark auf die beiden Parteien CDU und SPD fokussierten Zweikampf", sagte der AfD-Vorsitzende Meuthen am Sonntagabend. Er amtiert seit dem Abgang von Frauke Petry allein an der Spitze, bis zur Neuwahl des Vorstands im Dezember. Die Landtagswahl folge anderen Bedingungen als im Bund, so Meuthen. Es sei für alle kleineren Parteien problematisch gewesen, mit eigenen Themen durchzudringen.

Für die AfD ist das Ergebnis von Hannover ein Rückschlag, es zeigt Grenzen. Intern wird die Parteiführung auch diskutieren, ob der spektakuläre Abgang der langjährigen Parteichefin Frauke Petry eine Rolle spielt. Sie fand zwar nach ihrem Austritt aus der Bundestagsfraktion nur wenige Unterstützer. Aber die Abspaltung dokumentierte die Brüche der AfD.

Nach außen freilich hat die AfD sich längst an die Rituale eines Wahlsonntags angepasst. Der Thüringer AfD-Rechtsausleger Björn Höcke schickte kurz nach Schließung der Wahllokale eine euphorische Gratulation, Hampel zählt zu seinen Unterstützern. "Mit dem Einzug in den niedersächsischen Landtag setzt die AfD ihren Siegeszug zur politischen Erneuerung des Landes fort", schrieb er. Ein Siegeszug sieht eigentlich anders aus, das sah man der Spitzenkandidatin Dana Guth am Sonntag schon an.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: