AfD:Die Party, die keine wurde

Die Alternative für Deutschland hatte von einem "Triumphzug ins Maximilianeum" geträumt. Nun sitzt sie im 15. deutschen Landesparlament. Der CSU konnte sie zwar Stimmen abjagen, doch ihr Kernthema hat sie womöglich überstrapaziert.

Von Johann Osel

Schlechtreden will bei der AfD das Ergebnis keiner, zumindest offiziell; weder bei der Wahlparty in Niederbayern, noch bei den Analysen am Tag danach. 10,2 Prozent hat man erreicht - ein Zuwachs von 10,2 Prozent sozusagen, denn 2013 war die AfD im Freistaat nicht angetreten. Tatsächlich sind die Rechtspopulisten aber hinter dem eigenen Anspruch geblieben. Das Ergebnis bewegt sich auf dem Niveau, das die AfD in Umfragen vor zwei Jahren hatte - vor der mit 12,4 Prozent in Bayern so erfolgreichen Bundestagswahl, mit den besten Werten in Westdeutschland, und vor der neuerlichen großen Koalition in Berlin und all dem Frust darüber. Manche Umfragen versprachen zuletzt 14 Prozent; der Landesvorsitzende Martin Sichert hatte sogar mal 20 Prozent als Zielmarke vorgegeben, andere kündigten einen "Triumphzug ins Maximilianeum" an. Es dürfte nicht lange dauern, bis es brodelt und kritisch nachgefragt wird, warum man nun nur viertstärkste Fraktion ist. Da könnten sich womöglich jene Kandidaten zu Wort melden, die bester Dinge waren und nun nicht unter den 22 neuen Abgeordneten sind.

In einigen Gegenden blieb die AfD einstellig, obwohl sie mehr Potenzial sah, zum Beispiel in den Kreisen Berchtesgaden und Traunstein an der österreichischen Grenze, die von der Flüchtlingskrise direkt betroffen waren. Viele Regionen decken sich grob mit dem Bayern-Ergebnis. Die Spanne reicht von 3,7 Prozent in München-Mitte bis 16,6 Prozent in Regen/Freyung-Grafenau. Doch auch in Niederbayern schnitt die AfD schlechter ab als erhofft. Die Vize-Landesvorsitzende Katrin Ebner-Steiner schaffte im Landkreis Deggendorf knapp 16 Prozent; bei der Bundestagswahl waren es gut 20 gewesen; in die "AfD-Hochburg" waren im Wahlkampf Reporter aus halb Europa gereist. Auch daher legte man die Wahlparty in einen Gasthof bei Dingolfing. Als dort am Sonntag die ersten Zahlen kamen, gab es mehr Raunen als Jubel ob des mäßigen Abschneidens.

Auf dieser Party, die keine wurde, waren zwei Erklärungen allgegenwärtig: Die Freien Wähler sowie Chemnitz. Die Freien Wähler bieten ein klassisch konservatives Programm, ihre Positionen in der Asylpolitik sind nicht weit weg von der AfD; Weltuntergangsstimmung angesichts einer angeblichen "Islamisierung" verbreitet man aber nicht. Hitlergrüße und Randale in Chemnitz hatten AfD-Kandidaten heruntergespielt. Offenbar ist die Partei potenziellen Wählern unheimlich geworden, die Freien Wähler als bürgerlich-rechtskonservative Option boten sich an. Deren Wahlkampf nah an der Landbevölkerung tat das Übrige. Ein Wahlkämpfer auf der AfD-Feier sagte: Seine Mutter habe für die Freien Wähler gestimmt, wegen der "Strabs". Diese Regel, bei der Anwohner beim Straßenausbau mitzahlen mussten, hat die CSU auf Druck der Freien Wähler gekippt. "Die hat sich durch die Freien Wähler 26 000 Euro gespart. Die konnte gar nicht anders."

Die Flüchtlingspolitik der Freien Wähler ist nicht weit von der der AfD entfernt

Zudem hat vermutlich die finale Taktik der CSU gegriffen, wenn auch nicht unbedingt zum Vorteil der Regierungspartei. Seit Chemnitz versuchte man, die AfD als rechtsextrem zu brandmarken; sie verfolge eine "geheime Agenda", sagte Ministerpräsident Markus Söder. Am Anfang, erklärte Ebner-Steiner, hätten die Leute in der Frage Chemnitz hinter der AfD gestanden und ihr an Info-Ständen zugestimmt, dass es vor allem Bürgerprotest war. "Auf den letzten Metern hat sich die Stimmung umgekehrt." Sie spricht von einer "Diffamierungskampagne" der CSU. Tatsächlich wurde aber auch das Vokabular bayerischer Kandidaten zunehmend völkischer.

Viele Stimmen der AfD stammen von früheren CSU-Wählern: 160 000. Hier geht Ebner-Steiner von einem "Denkzettel" aus, für die Asylpolitik von Kanzlerin Angela Merkel und dafür, dass die Christsozialen konservative Werte aufgegeben hätten. "Einem Niederbayern ist nicht vermittelbar, dass die CSU einen eigenen Wagen beim Christopher-Street-Day hat." Ein zweites Reservoir, aus dem AfD-Stimmen stammen, sind die Nichtwähler. Ein CSU-Landrat sagt, er habe schon bei der Bundestagswahl 60-jährige Erstwähler kennengelernt, die nur wegen der AfD zur Wahl gingen. Ein kleiner Zustrom kam von der SPD; gern inszenierte sich die AfD als Partei des "kleinen Mannes", versprach etwa eine fixe Bayernrente von 1300 Euro. Apropos Männer: Hier ist die AfD stärker als bei den Frauen, vor allem bei 45- bis 59-Jährigen.

Am Montag meldeten sich im Landesverband erste kritische Stimmen, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Die AfD hatte keinen Spitzenkandidaten, wegen intimer Fehden und Richtungsstreits benannte man kein zentrales Gesicht. Diese Rolle übernahm inoffiziell Sichert. Dem Landeschef werfen manche nun wenig Präsenz vor - und dass er in den wichtigen Debatten im Bayerischen Rundfunk unglaubwürdig war, weil er gar nicht für den Landtag antrat. Und Überdruss am Kernthema Flüchtlinge könnte Stimmen gekostet haben. Die AfD suggerierte, dass Zuwanderung chaotisch ablaufe wie 2015. Tatsächlich aber gab es im Bund Asylpakete und Söder krempelte auf Landesebene vieles um. Die Mär vom "Kontrollverlust", wie sie die AfD den Wählern einbläute, hat mancher Sympathisant wohl doch durchschaut.

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