AfD:Das Misstrauen ist allgegenwärtig

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Mit 54 Prozent wurde Alice Weidel an die Spitze des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg gewählt. (Foto: Arnulf Hettrich/imago)

Alice Weidel setzt sich beim Sonderparteitag des Landesverbandes Baden-Württemberg durch und soll nun den Dauerstreit im Südwesten beenden.

Von Claudia Henzler, Böblingen

Die AfD betont selbst immer wieder gerne, dass sie anders sei als andere Parteien. Beim Sonderparteitag in Baden-Württemberg bestätigt sich diese These schnell. Denn die Partei hat offensichtlich Angst vor ihren eigenen Mitgliedern und begleitet ihren Parteitag deshalb mit Sicherheitsvorkehrungen, die man von anderen Parteien nicht kennt. Wer am Wochenende rein will in die Böblinger Kongresshalle, der muss am Eingang einen Mitgliedsausweis vorzeigen und außerdem private Sicherheitskräfte passieren, Abtasten und Taschenkontrolle inklusive. Es dauert, bis es die gut tausend Mitglieder, minus mitgeführte Getränke, schließlich in die Halle geschafft haben. Die Veranstaltung, auf der die zerstrittene Landespartei einen neuen Vorstand wählen will, beginnt am Samstag mit einer Stunde Verspätung.

Noch viel länger dauert es, bis die Personalfragen tatsächlich geklärt werden können, denn das Misstrauen ist allgegenwärtig. Erst einmal muss ein Sachverständiger, der die elektronischen Abstimmgeräte begutachtet hat, auf die Bühne, um darüber zu berichten, warum die kleinen Kästen nicht von außen manipuliert werden können. Dann muss auch noch geklärt werden, welche Pflichtfragen die potenziellen Kandidaten für den neuen Vorstand zu beantworten haben. Schließlich wird zwar verworfen, dass die Kandidaten darüber berichten müssen, ob sie ihren Namen nach dem 18. Lebensjahr geändert haben und ob Ermittlungsverfahren gegen sie laufen. Akzeptiert wird aber die Frage, ob es Eintragungen im Führungszeugnis gibt. Nachdem auch noch diskutiert wird, ob der Standort der Saalmikrofone eventuell jemanden bevorteilen könnte, geht es los - und das relativ diszipliniert mit festgelegten Redezeiten und ausgelosten Fragen.

Es ist der einzige Moment des Parteitags, an dem alle 1016 akkreditierten Mitglieder im Saal sind und ihre Stimme abgeben: Die Versammlung macht Alice Weidel mit 54 Prozent der Stimmen zur alleinigen Vorsitzenden. Die Fraktionsvorsitzende im Bundestag mit Wahlkreis am Bodensee, die mit dem Anspruch angetreten ist, den zerstrittenen Landesvorstand zu befrieden, setzt sich gegen den Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel durch. Spaniel gehört im Südwesten dem Lager an, das mit dem völkischen "Flügel" sympathisiert.

Für Weidel wird auch die folgende Stellvertreterwahl zum Erfolg auf ganzer Linie: Auf allen drei Posten setzen sich mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen die Kandidaten aus ihrem Lager durch. Es sind die Bundestagsabgeordneten Martin Hess, Marc Jongen und Markus Frohnmaier. Sämtliche Gegenkandidaten, die mit dem "Flügel" in Verbindung gebracht werden, unterliegen. Dass im Vorstand kein Landespolitiker ist, sorgt bei einigen Parteimitgliedern für Unmut, ebenso wie die Tatsache, dass das "Flügel"-nahe Lager nicht vertreten sei. Die befürchtete Schlammschlacht bleibt aber aus. Handlungsfähig, weil einig, dürfte der neue Vorstand sein. Ob er es auch schafft, die kleine Partei mit ihren knapp 5000 Mitgliedern zu befrieden, wird sich spätestens im Sommer zeigen, wenn ein Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2021 nominiert werden muss.

In Böblingen ist allerdings nicht erkennbar, ob sich die Lager tatsächlich politisch unterscheiden. Gemäßigt klingt auch das Weidel-Lager nicht. Jongen unterstellt den Deutschen eine "Wiedergutmachungsneurose", Weidel zieht verbal den Hut vor dem Rechtsextremisten und "Flügel"-Mann Björn Höcke: "Ich muss sagen, dass der Herr Höcke einen sehr guten Job in Thüringen gemacht hat. Und das, was er letzte Woche geschafft hat" - gemeint ist die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen -, "das hat noch keiner vor ihm geschafft. Und dafür gebührt ihm der höchste Respekt." Das passt zur Losung, die Weidel in ihrer Bewerbungsrede ausgegeben hat: "Einigkeit und Zusammenhalt über die politischen Strömungen hinweg. Was zählt, ist der politische Erfolg."

© SZ vom 17.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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