Rechtspopulisten in der Pandemie:Die AfD und das Virus

Coronavirus - Demonstration am Brandenburger Tor

"Gängelung": Teilnehmer einer Demonstration gegen die Einschränkungen durch Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung am Ostermontag in Berlin.

(Foto: Christophe Gateau/dpa)

Die Rechtspopulisten wollten Corona für ihre Zwecke nutzen. Doch die Partei fand nie eine Strategie, um mit der Krise umzugehen.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Wie schwer der AfD der Umgang mit der Corona-Gefahr fällt? Eindrücklich war das zu beobachten an einem Nachmittag Anfang März. Nach Monaten des strategischen Irrlichterns in der Pandemie plante die Partei den Befreiungsschlag. Die Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland wollten im Bundestag eine Kampagne vorstellen. Titel: "Aufbruch für Deutschland - Raus aus der Wirtschafts- und Lockdown-Krise". Es gab da nur plötzlich ein Problem. Weidel musste ihre Teilnahme an dem Termin kurzfristig absagen. Ein Fraktionsmitglied war an Corona erkrankt. Viele Abgeordnete mussten sich testen lassen. AfD und Corona waren damit im Bundestag tatsächlich das Thema Nummer eins - nur eben anders als geplant.

Bei ihrem Parteitag am Wochenende soll die Pandemie kein großes Thema werden. Damit das Treffen stattfinden kann, will sich die AfD an Hygieneregeln halten. Doch noch immer haben viele in der Partei ein Problem mit den Masken, deren Wirksamkeit wissenschaftlich seit Langem belegt ist. So hatte die Bundestagsfraktion der AfD vergeblich gegen die Maskenpflicht im Parlament geklagt. Ihr Justiziar Stephan Brandner, der dem Bundesvorstand angehört, nannte sie "eine Gängelung".

Im März 2020 forderte die Fraktionschefin Einschnitte, später klang sie ganz anders

Dabei änderte die AfD seit Beginn der Pandemie gleich mehrmals ihre Strategie in der Corona-Politik. Zunächst hatte sie Einschnitte selbst lautstark gefordert. Das "Nichtstun der Bundesregierung gefährdet Leib und Leben der Menschen", warnte etwa Fraktionschefin Weidel im März 2020. Doch in den Monaten danach änderte die AfD ihren Kurs radikal. Ein halbes Jahr später klang Weidel im Bundestag so, als habe es ihre erste Forderung nie gegeben. Kanzlerin Angela Merkel warf sie vor, mit den harten Corona-Maßnahmen "einen größeren Schaden angerichtet" zu haben als das Virus selbst. AfDler sprachen von einer "Corona-Diktatur", nannten das Infektionsschutzgesetz ein "Ermächtigungsgesetz".

Die AfD hofft seit Monaten, vom Unmut über die wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen zu profitieren. Doch die Mehrheit der Deutschen steht hinter dem strikten Regierungskurs. In der AfD wuchs derweil die Kritik am eigenen Umgang mit der Pandemie. Schließlich träumte die AfD noch vor zwei Jahren davon, bei der nächsten Bundestagswahl ihren Stimmenanteil zu verdoppeln. Stattdessen sackte sie in Umfragen ab. Viele Abgeordnete, denen der Bundestag ein sicheres Auskommen und eine Bühne bietet, fürchten um ihren Wiedereinzug. Die Parteispitze setzt darauf, im Spätsommer vor der Bundestagswahl mit der Kritik am Regierungskurs stärker durchzudringen, wenn die Pandemie das Land weniger im Griff haben sollte. Dafür will man vorbereitet sein.

Vorher wird nun der Parteitag selbst zu einer Nagelprobe in Sachen Corona. Unter den für AfD-Verhältnisse Gemäßigten kursiert die Sorge, dass mancher Delegierte aus dem eigenen Lager wenig Lust verspürt, in Corona-Zeiten nach Dresden zu reisen - vor allem aus den westlichen Landesverbänden -, und dadurch die parteiinternen Gegner von der äußersten Rechten stärkt. "Corona wird wohl doch ein Thema werden", sagt ein Insider. Die Pandemie könne die Mehrheitsverhältnisse bei dem Treffen beeinflussen.

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