Nach Wahl in NRW:Die AfD stemmt sich gegen den Absturz

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In Bedrängnis: Tino Chrupalla, der Bundessprecher der AfD, hier bei einem Auftritt im Bundestag. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die Stimmenverluste der Rechten im größten deutschen Bundesland verschärfen den Machtkampf um den künftigen Kurs der Partei. Bundessprecher Tino Chrupalla gerät unter Druck - und wehrt sich mit einem Gegenangriff.

Von Markus Balser, Berlin

Schon der Wahlkampfendspurt verlief holprig. Als die AfD vor zwei Wochen ihre Abschlusskundgebung in Krefeld abhielt, wurde es ziemlich laut: Pfiffe von Demonstranten tönten bis zur kleinen AfD-Bühne. Für Parteichef Tino Chrupalla mussten die Lautsprecher ziemlich weit aufgedreht werden, damit er Gehör fand. Chrupalla rief seinen Leuten in Nordrhein-Westfalen Mut zu: "Wir werden wieder ein Super-Ergebnis erzielen." Die AfD wolle und müsse schließlich "irgendwann in Deutschland mitregieren".

Doch aus dem Super-Ergebnis wurde am Sonntag nichts. Selbst das Minimalziel, das Landtagswahl-Ergebnis des Jahres 2017 von 7,4 Prozent zu übertreffen, verfehlte Chrupallas Partei deutlich. Die Rechtspopulisten zogen zwar zum zweiten Mal in den nordrhein-westfälischen Landtag ein. Allerdings blieben die Balken der Hochrechnungen am Sonntagabend zwischen fünf und sechs Prozent stecken.

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Dabei hatte Chrupalla schon aus Eigeninteresse auf mehr gehofft. Der Parteichef will sich in vier Wochen auf einem Bundesparteitag wieder an die Spitze seiner Partei wählen lassen. Doch zuletzt häuften sich die Probleme. Die AfD war nach ihrer Gründung 2013 nach und nach in alle deutschen Landesparlamente eingezogen, 2017 erstmals auch in den Bundestag. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein scheiterte sie vergangenen Sonntag jedoch sehr deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde und wurde damit erstmals wieder aus einem Landesparlament herausgewählt.

Dass die AfD nun auch in Nordrhein-Westfalen die eigenen Erwartungen enttäuschte, verschärfte schon am Sonntag den internen Streit. Er sei mit dem Abschneiden "in Gänze nicht zufrieden", wetterte Chrupalla. Notwendig sei nun eine "Initiative West", sagte er. Darüber werde man beim nächsten Bundesparteitag diskutieren. Ziel müsse es sein, zumindest ein zweistelliges Ergebnis im Westen zu erreichen. Chrupallas Botschaft: Die Westverbände bringen es nicht.

Damit ging Chrupalla zum Gegenangriff auf seine Kritiker über. Denn die für AfD-Verhältnisse gemäßigten Kräfte aus den westlichen Landesverbänden hatten zuletzt ihrerseits heftige Kritik an Chrupallas Amtsführung geäußert. Die AfD habe mit ihrem Ukraine-Kurs einen Teil ihrer konservativen Anhänger verloren, sagte etwa Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar vor wenigen Tagen. Schon in Schleswig-Holstein seien diese Wähler "scharenweise zu CDU, FDP und sogar zu den Grünen übergelaufen". Ein "Weiter so" sei nun keine Lösung mehr.

Auch der stellvertretende AfD-Fraktionschef im Bundestag, Norbert Kleinwächter, forderte, die Partei müsse sich neu sortieren. "Wir brauchen neue Themen und einen neuen Stil, mit denen wir Wähler dauerhaft an uns binden können. Dazu braucht die Bundesspitze der Partei dringend neue Köpfe mit sicherem Auftreten und neuen Ideen."

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Der Partei droht damit ein regelrechter Showdown auf dem für Mitte Juni geplanten Parteitag. Dann sollen die 600 Delegierten eine neue Führungsspitze wählen. Im Kampf um die Macht in der Partei ging zuletzt auch das rechte Lager in die Offensive. Es will auf dem Parteitag ebenfalls die Führung in der AfD übernehmen. So liebäugelte der Rechtsaußen Björn Höcke vergangene Woche erstmals öffentlich mit der Kandidatur für einen Bundesposten seiner Partei - laut Insidern sogar mit dem Chefposten.

In der Partei würde diese Kandidatur ein Beben auslösen. Falls der Chef des als rechtsextrem eingestuften thüringischen Landesverbands in das höchste Parteigremium gewählt wird, wollen gemäßigte Kräfte im Bundestag die Fraktion verlassen. Eine Austrittswelle unter Mitgliedern und Mandatsträgern könnte die Folge sein.

Der AfD-Landesvorsitzende Martin Vincentz erklärte das Ergebnis in NRW trotz der Verluste am Sonntag indes schon mal zum Erfolg. Die AfD habe mit dem Wiedereinzug in den Landtag bewiesen, dass sie "keine Eintagsfliege" sei. "Wir haben ein Stammwählerklientel, das wir auch jetzt wieder mobilisieren konnten."

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