Bundestag:Schlappe für AfD im Kampf um Prestigeposten

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Martin Hess, 50, gelernter Polizist, sollte nach dem Willen der AfD eigentlich Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag werden. (Foto: Stefan Puchner/DPA)

Im Innen-, dem Gesundheits- und dem Entwicklungsausschuss fallen Kandidaten der Partei für den Vorsitz durch. Doch die Fraktion treibt bereits die Besetzung weiterer Ämter voran.

Von Markus Balser, Berlin

Im Ringen um wichtige Prestigeposten im Bundestag hat die AfD-Fraktion am Mittwoch gleich drei Niederlagen erlitten. Die Vorschläge der Fraktion für die Vorsitze in den Bundestagsausschüssen für Inneres, Gesundheit und Entwicklung fielen in geheimer Wahl durch. Der Innenausschuss hat den von der AfD-Fraktion nominierten Abgeordneten Martin Hess am Nachmittag mit großer Mehrheit als Vorsitzenden abgelehnt. Das berichten Teilnehmer der Sitzung. Die AfD-Spitze bestätigte die Niederlage.

Eine geheime Wahl hatte es zuvor auch im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gegeben. Im Gesundheitsausschuss fiel der von der AfD-Fraktion für den Vorsitz nominierte Abgeordnete Jörg Schneider ebenso durch wie der AfD-Abgeordnete Dietmar Friedhoff im Entwicklungsausschuss.

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Zwar hatte sich die AfD in einem Vorverfahren in allen drei Fällen das Vorschlagsrecht für die wichtigen Posten gesichert. Doch in den anderen Fraktionen war der Widerstand gegen die Wahl von Ausschussvorsitzenden aus den Reihen der AfD in wichtigen Parlamentsgremien zuletzt gewachsen. Besonders groß waren die Zweifel im Innenausschuss. Dort hielten die anderen Fraktionen die Wahl eines AfD-Mannes an die Spitze des Gremiums, das Sicherheitsbehörden kontrolliert, für ein Sicherheitsrisiko.

Ähnlich kritisch wie im Innenausschuss sahen Union, SPD, FDP, Grüne und Linke die Besetzung im Gesundheitsausschuss. Beim Thema Gesundheit hatte sich die AfD zuletzt immer wieder gegen Corona-Schutzmaßnahmen ausgesprochen. Behörden sehen Landesverbände der AfD in Ostdeutschland als treibende Kraft hinter der Radikalisierung von Protesten gegen Schutzmaßnahmen wie die Impfung.

Ausschüsse und deren Vorsitzende sind für das Parlament wichtig

Die Ausschussvorsitzenden der Gremien haben wichtige Funktionen. Sie leiten die Sitzungen, bestimmen die Tagesordnung und sollen Kompromisse in schwierigen Fragen ausloten. Die AfD aber hatte erst am Dienstag rechtliche Schritte gegen die vom Bundestag verfolgte einrichtungsbezogene Impfpflicht etwa für Altenheime angekündigt.

Neben Schneider schickt die AfD auch die Abgeordneten Martin Sichert, Christina Baum, Thomas Dietz und Kay-Uwe Ziegler in das Gremium. Vor allem Sichert und Baum waren schon in den ersten Sitzungen des Bundestags mit heftiger Kritik an Corona-Maßnahmen aufgefallen. So erklärte Sichert, die Regierung wolle mit 2 G und 3 G die Bürger mit "massivem Druck zu willigen Untertanen" erziehen. Seine Fraktionskollegin Christina Baum ging noch weiter und warf der Regierung Angstmache, Terror, Willkür und "Knechtschaft des Volkes" vor.

Derweil wurde eine weitere Personalie bekannt. Die AfD will nach Angaben aus Fraktionskreisen den pensionierten Bundeswehr-General Joachim Wundrak in das Parlamentsgremium entsenden, das die Geheimdienste kontrolliert. Wundrak war 2018 als Drei-Sterne-General der Luftwaffe in den Ruhestand gegangen und bei der Wahl im September erstmals in den Bundestag eingezogen. Der 66-Jährige wird dem gemäßigten Parteiflügel zugerechnet. Er hatte sich zusammen mit der ebenfalls gemäßigten Abgeordneten Joana Cotar um die Spitzenkandidatur seiner Partei für den Bundestagswahlkampf beworben, unterlag aber dem Duo Tino Chrupalla und Alice Weidel.

Die AfD wollte den pensionierten Bundeswehr-General Joachim Wundrak in das Parlamentsgremium entsenden, das die Geheimdienste kontrolliert. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Roman Reusch, der dem Parlamentarischen Kontrollgremium in der zurückliegenden Wahlperiode angehörte, hatte bei der Wahl im September auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag verzichtet.

Die ganze AfD könnte als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden

Schon länger ist in den anderen Fraktionen umstritten, ob die AfD erneut in das Gremium einziehen soll. Es überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Abgeordneten tagen regelmäßig unter strenger Geheimhaltung in einem abhörsicheren Raum.

Weil der Verfassungsschutz im kommenden Jahr die gesamte AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen könnte, halten viele Abgeordnete eine AfD-Beteiligung in dem Gremium für problematisch. Die offiziell aufgelöste Parteiströmung "Flügel" wird bereits vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Die Nachwuchsorganisation Junge Alternative hat der Verfassungsschutz als Verdachtsfall im rechtsextremistischen Spektrum eingestuft.

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