Es war ein heißer Tag Anfang Juli, an dem sich die damals gerade zwei Jahre alte AfD 2015 zu einem Parteitag in der Essener Grugahalle traf – so wie an diesem Wochenende. Die turbulente Zusammenkunft vor neun Jahren sollte zur Zäsur für die Partei werden. Vor aller Augen fochten die Antipoden einen Machtkampf aus, dessen Gewinner die AfD weiter nach rechts außen führten, nur, um später selbst von dieser Entwicklung überrollt zu werden.
Es gibt ein Foto, das die Konfrontation eingefangen hat. Es ist nach der entscheidenden Abstimmung aufgenommen und zeigt den in Essen von der eigenen Basis gedemütigten Parteigründer Bernd Lucke und gleich neben ihm, aber von ihm abgewandt, die triumphierende Frauke Petry. Als erster Gratulant ist Konrad Adam zu ihr gekommen, er war damals mit ihnen Vorsitzender. Heute haben diese drei nur noch eines gemeinsam: Sie sind längst nicht mehr dabei.
Eine Rede für Toleranz wurde mit Pfiffen gestört
In Essen unternahm Lucke, Professor der Volkswirtschaft, einen letzten Versuch, die AfD auf die Linie zurückzuholen, deretwegen er sie einst gegründet hatte als Kritiker des Euro. Durch seine Fernsehauftritte war die Partei überhaupt erst bekannt geworden. Dafür feierten ihn seine Anhänger zunächst wie einen Erlöser, gerade weil Lucke mit dem Charisma des Gelehrten auf eine so markante Art spröde war. Das passte zum Bild derer, die nicht sein wollten wie die anderen und sich gern zu einer Professorenpartei zählten. Viele und wohl auch er selbst glaubten, dass die AfD ohne ihn kaum eine Chance haben würde.
Unterdes wurden die Gegenströmungen stärker, Björn Höcke aus Thüringen formierte den ganz rechten Flügel, ohne auf der bundespolitischen Bühne aufzutreten. Es war klar, dass es in Essen zum Showdown kommen würde, wo er aus dem Hintergrund sein Lager steuerte. Lucke warb in der Grugahalle für seine Linie, wollte ein Zeichen gegen den Trend nach rechts setzen. So warb er in seiner Rede für Toleranz gegenüber den Millionen Muslimen in Deutschland, die man respektieren solle. Und wurde ausgepfiffen, einige pöbelten, brüllten ihm ihre Wut entgegen. Da war klar, dass er verloren hatte. Frauke Petry gewann die Wahl zur ersten Vorsitzenden, als neuen Ko-Chef präsentierte sie einen wenig bekannten Ökonomen. Jörg Meuthen, der zwei Jahre und ein paar Parteitage später Petry ähnlich gnadenlos an den Rand drängen sollte und wiederum Jahre danach aufgab, weil der rechte Sog seine Machtbasis unterspülte.
Inzwischen scheint die Zeit der Richtungskämpfe (nicht der Personalkämpfe) vorbei zu sein. Es gibt niemanden mehr, der sich der Ausrichtung nach ganz rechts auch nur ein wenig entgegenstellt. Essen 2015, das war der Abschied der meisten Professoren und das Ende der Partei der Europaskeptiker. Für eine kurze Zeit sah es danach so aus, als hätte sich die AfD selbst ins Abseits manövriert. Mit Lucke verließen Tausende die Partei, sie stürzte in Umfragen auf drei Prozent ab. Ihre Gegner waren nicht zum ersten Mal überzeugt, dass sie sich von allein erledigt hätte. Wenig später entschied Kanzlerin Angela Merkel, dass Deutschland sich für zahlreiche Flüchtlinge öffnen sollte.