AfD:Alternative für Dickschädel

Jörg Meuthen - AfD

Durch die Causa Meuthen hat sich innerhalb der Partei ein Machtkampf entwickelt.

(Foto: dpa)

Die Basis verlange Einigkeit, sagt AfD-Vize Gauland und verordnet: "Streitet euch nicht". Doch die Spitzen der Partei reden selten mit-, dafür oft schlecht übereinander.

Von Jens Schneider

Der Beschluss von Braunlage sollte für Ruhe sorgen. Die Spitzen der AfD konnten zwar die bei einigen sehr grundsätzliche gegenseitige Abneigung nicht ändern, aber sie verordneten sich bei der Klausurtagung im Harz Spielregeln für die Kommunikation nach außen. Künftig sollten Äußerungen über Vorstands- oder Parteikollegen nur erlaubt sein, wenn vorab mit der betroffenen Person gesprochen wurde. Zudem beschloss man ein "Prinzip der regionalen Nichteinmischung". Niemand sollte Konflikte in einem anderen Landesverband kommentieren. Wenige Tage liegt der Beschluss nun zurück, was er wert war, zeigt diese Woche: In Stuttgart intervenierte die Parteichefin Frauke Petry in den Gefilden des anderen AfD-Chefs Jörg Meuthen, seine Unterstützer attackieren sie deshalb heftig, die Parteispitze ist in Aufruhr.

Genau ein Jahr nach dem Bruch mit dem Gründer Bernd Lucke steht die AfD wieder vor einem Scherbenhaufen. Jedoch dürften sich Gegner der AfD vorschnell freuen, die jetzt auf eine genaue Wiederholung der Vorgänge des vergangenen Jahres hoffen. Damals verlor die AfD nach einem dramatischen Sonderparteitag in Essen 2000 Mitglieder und sackte in Umfragen auf zwei Prozent ab. Ein Déjà-vu will die Parteispitze um jeden Preis vermeiden, das verbindet sie trotz größter Uneinigkeit.

Wut und Enttäuschung spielen eine große Rolle

"Wir müssen unbedingt ein Essen zwei verhindern", sagt Partei-Vize Alexander Gauland. "Eine Wiederauflage der Spaltung würde die AfD nur schwer verkraften." Davor würden sich alle fürchten, "auch wenn manche schon wieder über einen Sonderparteitag nachdenken". Er lässt durchblicken, dass es gefährlich sein könne, final die Machtfrage zu stellen. Die Basis der Partei verlange Einigkeit: "Wir an der Spitze sollen uns nicht streiten. Das ist das Ceterum Censeo: Streitet euch nicht!"

Für den Ausgang des Machtkampfs kann die Schuldfrage entscheidend sein. "Wer auch nur in den Verdacht gerät, eine erneute Spaltung der AfD zu betreiben, läuft Gefahr, in Ungnade zu fallen", sagt Gauland. Petry betont in ihren Erklärungen stets, dass ihr an der Einheit der AfD gelegen sei, nur deswegen sei sie nun nach Stuttgart gefahren. Dienstagabend nach der Eskalation in Stuttgart diskutierte das Lager der Meuthen-Unterstützer, ob man einen Entscheidungskampf mit Petry suchen sollte. Man entschied sich zunächst dagegen. Vorstandsmitglieder sprechen am Mittwoch von einer verfahrenen Lage, intern fallen deftige Ausdrücke. Wut und Enttäuschung spielen eine große Rolle.

"Frau Petry hat durch ihr Verhalten Herrn Meuthen geschadet", sagt Gauland. Petry wiederum empörte, dass der restliche Parteivorstand zur Krise in Stuttgart schnell und ohne ihre Beteiligung einen scharfen Beschluss zu Meuthens Gunsten fasste, nur zwei weitere Mitglieder blieben dabei wie sie außen vor. Die Spitzen der Partei reden selten mit-, dafür oft schlecht übereinander. Auch wenn das Alltagsgeschäft im Vorstand durchaus erledigt wird.

Der Vorstand ist gespalten. Ein Kreis um Meuthen und die beiden Stellvertreter Gauland und Beatrix von Storch steht einer kleineren Gruppe um Petry gegenüber. Weil sie sich im Bundesvorstand blockiert sieht und Illoyalität wittert, agiert die Parteichefin oft autonom, in Abstimmung mit ihrem Lebensgefährten, dem NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell. Sie hat in Sachsen Personal eingestellt, weil sie dem Berliner Stab nicht mehr traut.

Petry traut ihrem eigenen Stab in Berlin nicht

Der Riss spiegelt sich in mehreren Landesverbänden wider. Heftige Konflikte gab es auch in Sachsen-Anhalt, wo der Fraktionschef André Poggenburg unter Druck geriet, seinen Posten aufzugeben. Wie in Stuttgart wurde kolportiert, dass Petry im Hintergrund die Strippen zog. Poggenburg zählt zum rechten Flügel der AfD, er ist ein Vertrauter des erklärten Petry-Gegners Björn Höcke aus Thüringen. In Magdeburg wie in Stuttgart ging es weniger um Flügelkämpfe als um die Frage, welches Lager sich machtpolitisch durchsetzt.

Die Liste ist noch länger. In Thüringen haben AfD-Abgeordnete die Fraktion wegen Höcke verlassen. In Brandenburg wurde der Sohn von Gaulands Lebensgefährtin nach Verwerfungen aus der Fraktion geworfen. Auch in Bremen und Hamburg ist die AfD-Fraktion nicht mehr vollständig. Im Europäischen Parlament gehört die Mehrheit der einstigen AfD-Abgeordneten um Parteigründer Lucke nicht mehr der AfD an. Die verbliebenen AfD-Parlamentarier sind einander spinnefeind: Beatrix von Storch und Petrys Lebensgefährte Pretzell. Die AfD zog viele Persönlichkeiten an, denen die Begabung oder der Wille zum Kompromiss fehlt.

"Der Unterschied zum Konflikt mit Herrn Lucke vor einem Jahr liegt darin, dass es hier nicht um politische Differenzen geht", sagt Parteivize Gauland. "Dies ist keine Richtungsentscheidung." Es gehe "um den Umgang miteinander und die Machtfrage". Tatsächlich gibt es kaum inhaltliche Differenzen zwischen Petry und Meuthen, den sie 2015 für die Parteispitze gewann, um Lucke zu ersetzen.

Kein Richtungsstreit, nur Machtfragen. Das soll bedeuten, dass die Krise leichter auszuräumen wäre. Mittwochnachmittag schlug der Thüringer AfD-Chef Höcke seinen Parteifreunden vor, "durch den Bundesvorstand ein grundsätzliches und allgemeingültiges Pressemoratorium aussprechen zu lassen". Da werden einige im Vorstand an die Halbwertzeit der Vorsätze von Braunlage gedacht haben. In Stuttgart wurde der Appell schnell überholt. Petrys Kritiker verlangten von ihr eine Korrektur ihrer Linie. Diese aber erklärte stattdessen, dass die Rumpffraktion der Meuthen-Gegner die wahre AfD sei - ein Affront gegen den Rest des Vorstands.

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