Süddeutsche Zeitung

Äußerung über AfD-Chefin:Oettinger nennt Petry eine "Schande für Deutschland"

  • Auf einer Veranstaltung am Montagabend äußert sich EU-Kommissar Oettinger abfällig über AfD-Chefin Petry.
  • Am Dienstag sagt er, er habe von seinen Äußerungen nichts zurückzunehmen.
  • Petry spricht von unappetitlichem "Kopfkino".
  • Und das Netz? Reagiert vor allem spöttisch.

Von Jessica Binsch und Guido Bohsem, Berlin, und Barbara Galaktionow

Günther Oettinger ist in Fahrt an diesem Montagabend in Berlin. Eigentlich soll er auf einer Veranstaltung des IT-Unternehmens Microsoft über Digitalpolitik sprechen. Doch Datenschutz, Start-ups oder der Datenaustausch zwischen EU und USA spielen nur am Rande eine Rolle. Stattdessen wird es ein wilder Ritt durch die aktuellen Themen der Politik.

Oettinger hat zu allem eine Meinung, sei es zum Streit zwischen CDU und CSU ("Der CSU wäre Angst und Bange, sie hätte nicht mehr die Merkel") oder zur Zukunft der Europäischen Union ("Das europäische Projekt ist erstmals in Gefahr").

Dann schwenkt das Gespräch auf die AfD. Moderator Wolfram Weimer fragt Oettinger nach seiner Einschätzung der Partei. Es geht auch um die Wahlaussichten der Rechtspopulisten in Baden-Württemberg, wo Oettinger einst Ministerpräsident war. Den Rechtsschwenk der AfD sieht Oettinger kritisch, auch die Führungspersonen aus der Anfangszeit der Partei hätten offenbar gemerkt: "Da brennt was am rechten Narrenzaun". Personen wie AfD-Mitgründer Bernd Lucke oder Hans-Olaf Henkel sind inzwischen aus der AfD ausgetreten.

Nun sei da die "komische Frau Petry", sagt Oettinger, die AfD-Chefin Frauke Petry. "Wenn ich mit der verheiratet wäre, würde ich mich heute Nacht erschießen." Das Publikum lacht, irgendwo zwischen überrascht und entsetzt. Doch eine Konfrontation gibt es nicht, das Gespräch wandert weiter.

Oettinger: Ich habe nichts zurückzunehmen

Erst am Dienstagmorgen dringt die Äußerung in die breite Öffentlichkeit - und sorgt für Wirbel. Vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitet sich das Oettinger-Statement rasend schnell. "Es ging nicht um die Person Petry, es ging um den Rechtsruck der AfD als Partei nach dem Austritt von Hans-Olaf Henkel", teilt das Büro Oettingers in Brüssel der SZ auf Anfrage knapp mit.

Oettinger selbst bekräftigt am Vormittag in einem Gespräch mit Journalisten in Berlin seine Position. Er bezeichnet die Aussagen Petrys zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge als völlig unakzeptabel und menschenverachtend. "Diese Frau ist eine Schande für Deutschland." Er habe von seinen Äußerungen nichts zurückzunehmen.

Petrys Reaktion auf Oettingers Verbalausfall

Petry wirbt seit Langem für eine harte Flüchtlingspolitik der geschlossenen Grenzen. Sie hatte selbst für erhebliches Aufsehen und scharfe Kritik gesorgt, als sie sich dafür aussprach, "notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch" zu machen, um Flüchtlinge am illegalen Grenzübertritt zu hindern.

Die AfD-Chefin reagiert in knappen Worten auf den Verbalausfall des EU-Kommissars: "Herr Oettinger, Ihr Kopfkino ist unappetitlich. Ich frage mich, was Ihre Frau wohl dazu sagt", sagte sie der Bild-Zeitung. In der CDU sehe man die Ehe offenbar nur noch als "Weg in den Selbstmord".

Marcus Pretzell, AfD-Chef in Nordrhein-Westfalen, stellt sich via Twitter vor seine Lebensgefährtin Petry:

Spott in 140 Zeichen

Im Kurznachrichtendienst Twitter begrüßen manche die verbale Aufrüstung gegenüber der AfD-Chefin. Eine weitaus größere Zahl der Reaktionen fällt allerdings eher kritisch aus - und spöttisch. So sehen viele zwar durchaus Grund für Kritik an Petry - finden jedoch nicht, dass Oettingers Vorstoß der Sache gerecht wird:

Viele äußern die Ansicht, dass sich mit der AfD-Chefin und dem EU-Politiker genau die Richtigen gefunden hätten:

Eine Steilvorlage liefert der EU-Kommissar auch denjenigen, die ihm ohnehin gerne die Kompetenz für das ihm übertragene Fachgebiet absprechen:

Manche fragen sich, warum #oettinger auf Twitter trendet - und denken zunächst mal an das Bier. Was wiederum andere zu interessanten Vergleichen führt:

Eines ist jedenfalls gewiss: Sollte Oettinger auf der Microsoft-Veranstaltung auch etwas Relevantes zu digitalen Fragen gesagt haben, so hat er selbst dafür gesorgt, dass das nicht durchdringt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2865540
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/gal/fued
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.