Süddeutsche Zeitung

Äthiopien:Waffenruhe für Tigray angekündigt

Die Regierung in Addis Abeba spricht von sofortiger Feuerpause in der umkämpften Nordregion. Die Armee soll auf dem Rückzug vor den vorrückenden Rebellen der Volksbefreiungsfront sein.

Äthiopiens Regierung hat nach Monaten der Gewalt eine Waffenruhe in der umkämpften nördlichen Region Tigray angekündigt. Die Feuerpause solle ab sofort gelten, hieß es in einer Mitteilung am Montagabend. Zuvor hatte sich bereits die Übergangsregierung in Tigrays Hauptstadt Mekelle (Mek'ele) für eine Waffenruhe ausgesprochen. Die Ankündigung kam für viele Beobachter überraschend.

Nach nicht offiziell bestätigten Berichten auf Twitter sollen Repräsentanten der äthiopischen Zentralregierung Mekelle überstürzt verlassen haben. Berichten zufolge haben die auf dem Vormarsch befindlichen Rebellen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) bereits Positionen in der Stadt eingenommen. Ein TPLF-Sprecher sagte der Agentur Reuters, dass Mekelle unter Kontrolle der Volksbefreiungsfront stehe. Der BBC gingen Informationen zu, denen zufolge Menschen in Mekelle bereits den Abzug der Regierungstruppen feierten. Eine unabhängige Überprüfung der Berichte war aber nicht möglich.

Die äthiopische Regierung gab an, die Feuerpause solle es Bauern in Tigray ermöglichen, ihre Felder zu bestellen, und humanitären Organisationen erlauben, ungehindert in Tigray zu arbeiten. Die Waffenruhe soll zunächst bis zum Ende der Erntesaison gelten.

Hunderttausende in der aufständischen Region sind von Hunger bedroht

UN-Generalsekretär António Guterres telefonierte nach Angaben der Vereinten Nationen mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Guterres ließ danach mitteilen, dass er auf ein Ende der Kämpfe hoffe. Die Situation in Tigray sei "äußerst besorgniserregend". Die Regierung in Addis Abeba hatte im November eine Militäroffensive gegen die TPLF begonnen, die bis dahin in der gleichnamigen Region im Norden Äthiopiens an der Macht war.

Hintergrund waren jahrelange Spannungen zwischen der TPLF und der Zentralregierung. Inzwischen sind weitere Akteure beteiligt, darunter eritreische Truppen und Milizen. Bei den Kämpfen kamen Tausende Menschen ums Leben, beiden Seiten werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Zehntausende sind infolge der Kämpfe innerhalb Tigrays zu Flüchtlingen geworden oder nach Sudan geflohen.

Den Vereinten Nationen zufolge brauchen in Tigray etwa fünf Millionen Menschen dringend Nahrungsmittelhilfe, 350 000 seien von Hunger bedroht. Hilfsorganisationen hatten wegen der Sicherheitslage und bürokratischer Hürden lange keinen vollen Zugang zu allen Notleidenden.

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