Äthiopien:Berichte über Massaker in Tigray

Äthiopien: Geflüchtet vor dem Konflikt: Frauen aus der Tigray-Region hören in Adigrat dem Unicef-Direktor Manuel Fontaine zu.

Geflüchtet vor dem Konflikt: Frauen aus der Tigray-Region hören in Adigrat dem Unicef-Direktor Manuel Fontaine zu.

(Foto: Zerihun Sewunet/AP)

Amnesty International spricht von Hunderten getöteten Zivilisten und äußert den Verdacht, eritreische Soldaten könnten Kriegsverbrechen begangen haben.

Von Anna Reuß, München

Soldaten aus Eritrea haben bei einem Massaker Ende November in der äthiopischen Stadt Axum systematisch "viele Hundert" Menschen umgebracht, hauptsächlich Männer, hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Freitag mitgeteilt. Augenzeugen berichteten demnach, dass Bewohner der Stadt getötet, Häuser willkürlich beschossen und Gebäude geplündert worden seien. Für die äthiopisch-orthodoxen Christen ist Axum eine heilige Stadt.

Bereits vor einer Woche hatte die Nachrichtenagentur AP von dem mutmaßlichen Massaker berichtet und sich ebenfalls auf Augenzeugen berufen. Die Regierung Eritreas wies dies als "Lüge" zurück. Laut dem Leiter der äthiopischen Menschenrechtskommission, Daniel Bekele, werde der Amnesty-Bericht ernst genommen. Vorläufige Ergebnisse der Kommission "deuten auf die Ermordung einer noch unbekannten Anzahl von Zivilisten durch eritreische Soldaten hin".

Die Menschenrechtsorganisation spricht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Während der Offensive zur Einnahme Axums hätten äthiopische und eritreische Truppen etliche Kriegsverbrechen begangen, sagte Deprose Muchena, der Leiter für Ostafrika und das südliche Afrika bei Amnesty International. "Darüber hinaus haben eritreische Truppen randaliert und systematisch Hunderte Zivilisten kaltblütig getötet, was nach einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit aussieht."

Amnesty sprach nach eigenen Angaben mit 41 Überlebenden und Augenzeugen sowie mit 20 weiteren Menschen, die Kenntnisse von dem Massaker haben. Zudem stützt sich die Organisation auf eine Satellitenbildanalyse. Anwohner sagten demnach, dass die Opfer keine Waffen gehabt hätten und viele vor den Soldaten weggelaufen seien, bevor sie erschossen wurden. So hätten eritreische Soldaten Männer auf der Straße aufgereiht und von hinten erschossen. "Diese Gräueltat zählt zu den schlimmsten, die bisher in diesem Konflikt dokumentiert wurden", sagte Deprose Muchena.

Die Menschenrechtsorganisation erfasste nach eigenen Angaben die Namen von mehr als 240 Todesopfern. Man habe die Opferzahl nicht unabhängig bestätigen können, allerdings sei es wegen der Aussagen der Augenzeugen sowie übereinstimmender Beweise plausibel, dass Hunderte Anwohner getötet worden seien, hieß es.

Die Regierung des äthiopischen Friedensnobelpreisträgers Abiy Ahmed hatte im November eine Militäroffensive gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) begonnen, die bis dahin in der gleichnamigen Region im Norden Äthiopiens an der Macht war. Hintergrund waren jahrelange Spannungen zwischen der TPLF und der Zentralregierung. Inzwischen sind weitere Akteure beteiligt, darunter eritreische Truppen und Milizen. Die humanitäre Lage in Tigray ist verheerend. Drei Millionen Menschen sind dort laut dem UN-Welternährungsprogramms (WFP) auf Hilfe angewiesen.

Allerdings bleibt Hilfsorganisationen der Zugang zur Region wegen der Sicherheitslage erschwert, zudem klagen sie über bürokratische Hürden. Die EU hat mehrmals die äthiopische Regierung aufgefordert, Helfern ungehinderten Zugang zu den betroffenen Gebieten zu gewähren.

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