Äthiopien:Regionalpräsident und Armeechef getötet

Äthiopien: Regierungschef Abiy Ahmed am Sonntag im Staatsfernsehen.

Regierungschef Abiy Ahmed am Sonntag im Staatsfernsehen.

(Foto: AFP)

Ministerpräsident Abiy Ahmed berichtet von einem gescheiterten Putschversuch.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Die Regierung von Äthiopien hat nach den Worten von Ministerpräsident Abiy Ahmed am Samstag einen regionalen "Putschversuch" abgewehrt. Abiy zeigte sich in Tarnuniform im Staatsfernsehen und sprach von "bezahlten Mördern", die den Präsidenten des Bundesstaates Amhara, Ambachew Mekonnen, umgebracht und auch den Generalstabschef der nationalen Armee, Seare Mekonnen, erschossen hätten. Die Lage sei mittlerweile unter Kontrolle, teilte die Regierung am Sonntag mit und bestätigte zwei weitere Todesopfer, einen ehemaligen Armeegeneral und einen hochrangigen Regierungsberater. Das Internet wurde abgeschaltet.

Verantwortlich für den "Putschversuch" soll nach Regierungsangaben General Asamnew Tsige sein, der sich offenbar noch auf freiem Fuß befindet. Mehrere seiner Mitstreiter sollen festgenommen worden sein. Asamnew soll in den vergangenen Wochen offen dazu aufgerufen haben, bewaffnete Milizen zu bilden, um gegen andere Volksgruppen vorzugehen. Im Vielvölkerstaat Äthiopien kommt es seit Jahren zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Völkern. Viele Jahrzehnte war das Land mit 100 Millionen Einwohnern eine Diktatur, die von der Volksgruppe der Tigray dominiert wurde, die sich zahlenmäßig aber in der Minderheit befand.

Jahrelang demonstrierten vor allem Angehörige der Oromo und der Amharen gegen die Herrschaft der Minderheit, die im vergangenen Frühjahr mit der Berufung von Abiy Ahmed zum Ministerpräsidenten endete, dem ersten Oromo an der Spitze des Staates. Abiy schloss Frieden mit Eritrea, kündigte für das Jahr 2020 freie Wahlen an und ließ Tausende Gefangene frei. Zu ihnen gehörte auch der jetzige Putschführer General Asamnew Tsige, der neun Jahre im Gefängnis saß und der Bewegung "Ginbot 7"angehört haben soll, die mit Gewalt den Sturz des Regimes betrieb.

Nach seiner Freilassung wurde General Asamnew Sicherheitschef der Region Amhara, in der es immer wieder zu schweren Unruhen kommt. Insgesamt sollen in Äthiopien derzeit etwa zwei Millionen Menschen auf der Flucht vor Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen sein. Unter dem autoritären Regime wurden Proteste gewaltsam unterdrückt, im nun freieren und offeneren Äthiopien gibt es viele Bewegungen, die mehr Macht oder Land für ihre Gruppe beanspruchen. Manche der freigelassenen Häftlinge und früher verbotenen Organisationen rufen offen zum Kampf auf.

Äthiopien ist ein föderal organisierter Staat mit neun Regionen und zwei Städten - viele der größten Volksgruppen bekamen eigene Bundesstaaten, in denen die jeweilige Ethnie dann bevorzugt Land oder Arbeitsplätze in der Verwaltung bekommt. Das führt zu Konflikten, weil die Grenzen der Bundesstaaten nicht exakt den Siedlungsgebieten der Volksgruppen entsprechen und es mehr als neunzig Ethnien gibt, aber nur neun Bundesstaaten. Ministerpräsident Abiy hat zwar eine Reform der Verfassung angekündigt, aber noch keine Details genannt.

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