Äthiopien:Der verklärte Diktator

Äthiopien: Unter der Herrschaft des „Schlächters von Addis“, Mengistu Haile Mariam, sind etwa 500 000 Menschen ums Leben gekommen. Als Mengistu 1991 gestürzt wurde, floh er nach Simbabwe.

Unter der Herrschaft des „Schlächters von Addis“, Mengistu Haile Mariam, sind etwa 500 000 Menschen ums Leben gekommen. Als Mengistu 1991 gestürzt wurde, floh er nach Simbabwe.

(Foto: Alexander Joa, Dominique Faget/AFP)

Äthiopiens Ex-Herrscher Mengistu könnte die Auslieferung aus Simbabwe drohen. Doch in der Heimat hat man dessen Verbrechen offenbar verdrängt.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Warum der Gun Hill in Harare so heißt, lässt sich nicht mehr abschließend klären. Wahrscheinlich hatten die kolonialen Siedler hier ihre Kanonen stehen, heute jedenfalls ist es eine der schönsten Wohngegenden der Stadt: grüne Hügel und große Häuser, ein paar Soldaten, die eine Villa bewachen. Wer da bewacht wird, wollen sie nicht sagen, womöglich bewachen sie einen Mann, der Simbabwes prominentester Gast ist und doch schon fast vergessen: Mengistu Haile Mariam, 80, der "Schlächter von Addis", der von 1977 bis 1991 Äthiopien regierte und unter dessen brutaler Herrschaft etwa 500 000 Menschen ums Leben kamen. Die Angehörigen bekamen die Körper der Toten nur zurück, wenn sie für die Kugeln bezahlten, die sie getötet hatten.

Als die Diktatur 1991 zusammenbrach, war Mengistu (in Äthiopien ist der erste Name der Nachname) bereits nach Simbabwe geflohen, wo er vom befreundeten Diktator Robert Mugabe Asyl gewährt bekam, in einer schönen Villa in Gun Hill. Jetzt ist Mugabe selbst ein Ex-Diktator, dessen Lebensinhalt darin besteht, in einer schönen Villa zu sitzen. Sein Nachfolger Emmerson Mnangagwa kündigte bei seiner Amtsübernahme vor wenigen Wochen an, "kriminelle Elemente" im Land verfolgen zu wollen - seitdem fragen sich viele in Äthiopien, ob es doch noch Gerechtigkeit geben wird für die vielen Toten. Die Zeitungen und Radiosender berichten täglich, in den sozialen Medien gibt es eine Kampagne. Viele erinnern an Hissène Habré, den Diktator Tschads, der jahrzehntelang die Gastfreundschaft Senegals genoss, dort aber nach einem Regierungswechsel 2016 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

In Simbabwe hat die Oppositionspartei MDC bereits vor Jahren versucht, Mengistu und seine Familie loszuwerden, die mehrere Villen und Farmen besitzen soll und für deren Bewachung der klamme Staat viel Geld aufbringen muss. Immer wieder hatten Äthiopier versucht, Mengistu im Exil umzubringen.

In Simbabwe scheint es außer Mengistu selbst derzeit nur wenige Gegner seiner Auslieferung zu geben. Die äthiopische Regierung dagegen bleibt seltsam still. Dort wurde Mengistu 2006 zum Tode verurteilt, in der Folge beantragten die Behörden seine Auslieferung - nur jetzt nicht, da die Chancen besonders gut stünden. Was auch daran liegen könnte, dass sich in Äthiopien unter denen, die die Zeit des "Roten Terrors" nicht erlebt haben, eine gewisse Nostalgie für den Diktator entwickelt hat: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist nach Mengistus Sturz geboren. Anschließend ging der Meerzugang an Eritrea verloren. Früher war alles besser, glaubt ein Teil der Jugend - für Mengistu könnte das die Rettung sein.

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