Klaus Reinhardt steht für weitere vier Jahre als Ärztepräsident an der Spitze der Bundesärztekammer. Der 62-Jährige wurde am Donnerstag in Essen mit drei Stimmen Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Er setzte sich knapp gegen die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, durch. Reinhardt kam beim Deutschen Ärztetag auf 125 Stimmen der Delegierten, Johna auf 122. Die Bundesärztekammer vertritt die Interessen von 550 000 Ärztinnen und Ärzten.
Reinhardt ist seit 2019 Präsident der Bundesärztekammer und wurde in der Corona-Pandemie zu einem gefragten Interviewpartner. Er arbeitet als Hausarzt in Bielefeld, wo er die von seinen Eltern gegründete Praxis weiterführt. Der 62-Jährige ist außerdem Vorsitzender der Medizinervereinigung Hartmannbund.
In seiner Bewerbungsrede hatte Reinhardt gefordert: "Wir brauchen einen echten Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik." Die Probleme im Gesundheitswesen seien für die Gesellschaft ebenso bedeutend wie etwa der Klimawandel. "Deshalb streite ich dafür, dass das Thema Gesundheit ebenso zukunftsweisend diskutiert wird wie das Thema Klima." Diese Tragweite verkenne die Politik bislang noch. "Was da zum Teil an Lösungsansätzen in der Politik diskutiert wird, ist abenteuerlich bis absurd."
Die Ärzte fordern von der Bundesregierung eine nationale Arzneimittelreserve
Seine Gegenkandidatin Johna führt seit 2019 den Marburger Bund, den größten deutschen Ärzteverband, der zugleich als Gewerkschaft fungiert. In den Tarifverhandlungen für die Ärzte an kommunalen Kliniken hatte der Marburger Bund zuletzt mehrmals zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Die in Duisburg geborene Medizinerin arbeitet als Oberärztin für Krankenhaushygiene in Rüdesheim bei Wiesbaden. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Bundesärztekammer gewesen. Der Deutsche Ärztetag in Essen läuft noch bis zum Freitag.
Vor der Wahl hatten die deutschen Ärzte von der Bundesregierung gefordert, eine nationale Arzneimittelreserve für wichtige Medikamente einzurichten. Der Ärztetag reagierte am Mittwoch mit einer entsprechenden Resolution auf anhaltende Lieferengpässe von Arzneimitteln. Auch müssten Anreize geschaffen werden, die Produktion von Arzneimitteln in europäische Länder zurückzuführen - einschließlich der Produktion von Ausgangs- und Hilfsstoffen.
Die Ärzteschaft appellierte zugleich an die Bundesregierung, innerhalb der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass EU-weite Lösungen für die wiederkehrenden Lieferengpässe gefunden werden. Das bedeute auch eine größere Vielfalt bei den Lieferketten, damit Ausfälle an einzelnen Standorten nicht unmittelbar zu einem Lieferengpass führten, betonten die Delegierten. Darüber hinaus müssten aus Sicht der Ärzte die pharmazeutischen Unternehmen mit Strafandrohungen dazu verpflichtet werden, drohende oder manifeste Lieferengpässe zu melden.
Zur Eröffnung des Deutschen Ärztetags bekräftigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Abkehr von zu viel finanziellem Druck in der Patientenversorgung. "Die Ökonomie darf nicht die Medizin dominieren", sagte der SPD-Politiker am Dienstag. In einigen Bereichen sei der Bogen überspannt worden, erläuterte er etwa mit Blick auf die Vergütung der Kliniken oder Beteiligungen von Finanzinvestoren an Medizinischen Versorgungszentren. Daher solle gesetzlich gegengesteuert werden.
Der Minister warb angesichts des Fachkräftemangels dafür, die Zahl der Medizinstudienplätze um 5000 pro Jahr zu erhöhen. Ärzte und auch Pflegekräfte aus anderen, meist ärmeren Ländern abzuwerben, sei unethisch. "Wir müssen dieses Personal selbst ausbilden", sagte er.