Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:"Jeder, der illegal in dieses Land kommt, wird weggeschickt"

Die britische Regierung will Bootsflüchtlinge mit einem neuen Asylgesetz stoppen. Menschenrechtsorganisationen sehen darin einen Verstoß gegen internationales Recht.

Von Alexander Mühlauer, London

Eines der Versprechen, die Rishi Sunak zum Jahresbeginn gegeben hat, lautet: Wir stoppen die Boote, we stop the boats! Der britische Premier meint damit die Boote von Schleppern, die Menschen illegal über den Ärmelkanal nach Großbritannien bringen. Laut britischer Regierung waren es allein im vergangenen Jahr 45 728, die auf diesem Weg ins Vereinigte Königreich gekommen sind. Damit soll nun Schluss sein.

Mit einem neuen Gesetz will London dafür sorgen, dass all jene, die illegal ins Land gelangen, umgehend wieder abgeschoben werden - entweder in ihr Heimatland oder einen sicheren Drittstaat. Das Recht, Asyl zu beantragen, soll ihnen in Großbritannien versagt werden. Erst wenn sie abgeschoben sind, sollen ihre Anträge aus der Ferne angehört und geprüft werden.

"Wir haben die Grenzen des internationalen Rechts ausgereizt."

"Genug ist genug", sagte die britische Innenministerin Suella Braverman, als sie den Gesetzentwurf am Dienstag im Unterhaus vorstellte. Die Geduld des britischen Volkes sei erschöpft, deshalb werde die Regierung nun handeln und die Schlepperboote stoppen. Braverman sagte, sie sei zuversichtlich, dass dies im Einklang mit internationalem Recht gelinge. Etwas deutlicher wurde sie bereits vor ihrem Auftritt im Parlament. Dem Daily Telegraph sagte Braverman: "Wir haben die Grenzen des internationalen Rechts ausgereizt, um diese Krise zu lösen."

Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Gesetzesvorhaben scharf. In den Augen des britischen Flüchtlingsrates verstößt Großbritannien damit gegen seine Verpflichtung im Rahmen der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen, Menschen unabhängig von ihrem Ankunftsweg eine faire Anhörung zu gewähren. Auch große Teile der Opposition warfen der Regierung vor, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Labour-Chef Keir Starmer zweifelte an, dass die Pläne rechtlich Bestand haben werden. Aus Regierungskreisen verlautete, man gehe davon aus, dass die Rechtmäßigkeit des Gesetzes vor Gericht geklärt werde - aber wohl erst nach der Unterhaus-Wahl im kommenden Jahr.

Für Sunak hätte dies den Vorteil, dass er im Wahlkampf zumindest behaupten kann, ein Brexit-Versprechen einzulösen: nämlich die Kontrolle über die eigenen Grenzen wiederzugewinnen. Take back control heißt der Schlachtruf der Brexiteers, der bis heute nicht verstummt ist. Und so versprach Sunak der Boulevardzeitung Sun, dass dies mit dem neuen Gesetz "ein für alle Mal" geschehen werde. "Dieses Gesetz wird ein klares Signal senden, dass jeder, der illegal in dieses Land kommt, weggeschickt wird."

160 000 Asylbewerber warten noch auf Antwort

Am Freitag wird Sunak für Gespräche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris erwartet. Der Premier will versuchen, zusammen mit Frankreich einen Weg zu finden, gegen die Schlepperbanden am Ärmelkanal vorzugehen. Doch so einfach ist das nicht. Neben den rechtlichen Hürden gibt es noch allerlei praktische Probleme - nicht nur an der französischen Küste, sondern auch bei Sunak zu Hause. Schließlich müssen die Menschen, die illegal nach Großbritannien kommen, zunächst einmal untergebracht werden. Bislang werden dafür vor allem Hotels und stillgelegte Militärareale genutzt. Laut Innenministerium liegt die Zahl der noch nicht abschließend geprüften Asylanträge derzeit bei 160 000. Ist das neue Gesetz erst einmal in Kraft, soll es auch für diese Altfälle rückwirkend gelten.

Die Frage ist allerdings, ob es der Regierung überhaupt gelingt, Menschen wie geplant binnen 28 Tagen abzuschieben. Mit Ruanda, einem sicheren Drittstaat, hat London bereits einen umstrittenen Migrationspakt geschlossen und dem Land dafür 140 Millionen Pfund gezahlt, umgerechnet etwa 156 Millionen Euro. Die Vereinbarung sieht vor, dass Migranten nach der Abschiebung aus Großbritannien in Ruanda Asyl beantragen und - wenn es ihnen gewährt ist - dort leben können. Da jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einschritt, gab es bisher noch keinen einzigen Abschiebeflug nach Ruanda.

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