Ärger über Thilo Sarrazin:"Bundesbanker mit Profilneurose"

Immer mehr Politiker von SPD, CDU und Grünen geißeln die Thesen Thilo Sarrazins zur Integrationspolitik als "rassistisch". Der Ruf nach einem Ausschluss des Sozialdemokraten aus der Partei wird lauter. Beifall erhält Sarrazin - wenig überraschend - aus der rechten Ecke.

Die parteiübergreifende Kritik an Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin wegen seiner Äußerungen über muslimische Migranten wird immer schärfer. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles legte dem 65-jährigen Sozialdemokraten und früheren Finanzsenator des rot-roten Berliner Senats den Parteiaustritt nahe.

Gabriel legt Sarrazin Parteiaustritt nahe

Ihn will die SPD am liebsten loswerden: Thilo Sarrazin.

(Foto: dpa)

"Sarrazin ist ein unterbeschäftigter Bundesbanker mit ausgeprägter Profilneurose", sagte Nahles dem Hamburger Abendblatt. Das allein sei nicht bemerkenswert. "Aber er missbraucht den Namen der SPD." Wer einzelne Bevölkerungsgruppen pauschal verächtlich mache und gegeneinander aufbringe, treibe ein perfides, vergiftetes Spiel mit Ängsten und Vorurteilen und habe mit den Werten und Überzeugungen der SPD rein gar nichts mehr zu tun.

Sarrazin vertritt in seinem in Auszügen vorab veröffentlichten Buch "Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen" die These, dass muslimische Einwandererfamilien überproportional von Sozialleistungen profitierten und keinen Beitrag zum Wohlstand leisteten. Außerdem warnt er davor, dass die Deutschen zu "Fremden im eigenen Land" würden.

"Radikal und bis zum Tabubruch"

Solche Thesen hatte Sarrazin bereits mehrmals in Interviews vertreten und wäre im März deswegen beinahe aus der SPD ausgeschlossen worden. Eine Landesschiedskommission hatte damals allerdings geurteilt, Sarrazin habe sich zwar "radikal und bis zum Tabubruch" geäußert, aber nicht rassistisch, weil er auch Deutsche kritisiert habe.

Der SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte angekündigt, das Buch zu überprüfen. Er werde untersuchen, ob Sarrazin darin Charakterurteile über Ausländer fälle. "Wenn er das macht, ist das eindeutig rassistisch", sagte Gabriel in Worms. Sarrazin agiere in der Debatte mit "sprachlich gewalttätigen Aussagen". Zu einem Parteiausschlussverfahren wollte Gabriel sich jedoch nicht im Detail äußern. Eine solche Entscheidung müsse gerichtsfest sein. Er fügte noch hinzu: "Wenn Sie mich fragen, warum der noch bei uns Mitglied sein will - das weiß ich auch nicht."

Mit jedem Tag und jeder Publikation stößt Sarrazin nun aber auf größeren Widerstand. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte zu Handelsblatt Online, die erneuten Einlassungen Sarrazins seien keine Provokation, sondern blanker Rassismus. Ihr Kollege Cem Özdemir schimpfte auf Spiegel Online: "Thilo Sarrazin ist ein Stammeskrieger, wie ihn sich ein Bin Laden nur wünschen kann."

Zustimmung aus dem rechten Lager

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am gestrigen Mittwoch entrüstet gezeigt. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von verletzenden, diffamierenden Formulierungen, die "überhaupt nicht hilfreich sind bei der großen nationalen Aufgabe in diesem Land, bei der Integration voranzukommen". Es gebe in der Tat Probleme bei der Integration von Migranten, sagte Seibert. Aber es bedürfe nicht der Äußerungen Sarrazins, um daran erinnert zu werden.

Forderungen nach Rücktritt werden lauter

Ähnlich äußerte sich dazu auch der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD): "Die Probleme, die er benennt, die gibt es, keine Frage. Wir haben Parallelgesellschaften, wir haben Bildungsferne, wir haben Menschen, die sich im Sozialsystem eingerichtet haben, und wir haben Menschen, die das Sozialsystem als Lebensgrundlage benutzen und 'Scheiß Deutsche' sagen", sagte Buschkowsky im Deutschlandradio Kultur. Dies jedoch "als eine Art Marke allen Zuwanderern anzukleben", halte er für falsch.

Unterdessen häufen sich die Forderungen, Sarrazin solle seinen Posten bei der Bundesbank räumen. Sarrazin bekleide ein "hohes nationales Amt", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Wenn ein so wichtiger Funktionsträger mit Vorurteilen und "bösartigen Verallgemeinerungen" operiere, "wird auch das Bild Deutschlands im Ausland eingetrübt."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erinnerte allerdings daran, dass der Präsident der Bundesbank in dieser Sache nur einen begrenzten Handlungsspielraum habe.

Beifall bekommt Sarrazin indessen aus dem rechten Lager. Der Vorsitzende der rechtsgerichteten Bewegung Pro Deutschland, Manfred Rouhs, bot Sarrazin seinen Posten an, falls dieser Mitglied der Gruppe werden wolle. Der hessische NPD-Landesvorsitzende Jörg Krebs wandte sich in einem offenen Brief an den "sehr geschätzten Herrn Dr. Sarrazin", um ihm für seine Äußerungen zu danken.

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