Ägyptischer Präsident auf Tahrir-Platz:"Keine Institution steht über dem Willen des Volkes"

Einen Tag vor seiner geplanten Vereidigung spricht Ägyptens gewählter Präsident Mohammed Mursi auf dem Kairoer Tahrir-Platz zu seinen Anhängern. Zehntausende jubeln ihrem neuen Staatsoberhaupt zu. Ägyptische Medien sehen in Mursis Rede einen symbolischen Amtseid.

Vor der Ablegung seines Amtseids hat sich der vor wenigen Tagen gewählte ägyptische Präsident Mohammed Mursi demonstrativ an die eigenen Anhänger gewandt. Vor zehntausenden Menschen rief er am Freitagabend auf dem Tahrir-Platz in Kairo: "Keine Institution steht über dem Willen des Volkes." Denn das Volk sei die Quelle jeder Macht und Legitimität.

Supporters of Muslim Brotherhood's president-elect Mursi gather during a rally at Tahrir square in Cairo

Mursis Thron - der ägyptische Präsident spricht einen Tag vor seiner Vereidigung zu seinen Anhängern.

(Foto: REUTERS)

Einige ägyptische Medien wollten diese Worte als "symbolischen Eid" deuten, den Mursi abgelegt hätte. Doch er vermied es die Eidesformel zu sprechen oder das Militär mit allzu scharfer Rhetorik herauszufordern. Sein Auftritt sollte vor allem dazu dienen, den eigenen Anhängern den Eindruck zu vermitteln, dass man nicht eingeknickt sei.

Der Tahrir-Platz, von dem im vergangenen Jahr die Massenproteste gegen Mubarak ausgegangen waren, "ist das Symbol für Freiheit, Würde und Wandel", sagte Mursi. Das Volk stehe über jeder anderen Macht. "Deshalb bin ich zuallererst zu euch gekommen."

Auf dem Platz im Zentrum von Kairo campieren seit Wochenbeginn mehrere hundert Anhänger der Muslimbruderschaft und revolutionärer Jugendgruppen, um Druck gegen die jüngsten Eigenmächtigkeiten des Militärrats zu machen. Im Verlauf seiner Rede unterbrach ihn die Menge immer wieder mit "Allahu akbar"-Rufen (Gott ist groß).

Der Nachfolger des im Vorjahr gestürzten Langzeitherrschers Husni Mubarak ist der erste frei gewählte Präsident Ägyptens. Außerdem ist der 60-jährige Mursi der erste Zivilist, aber auch der erste Islamist im höchsten Staatsamt. Seine Macht ist allerdings begrenzt.

Der Oberste Militärrat, der das Land seit dem Abgang Mubaraks regiert, hatte vor zwei Wochen das Parlament aufgelöst, durch Verfassungszusätze die Befugnisse des Präsidenten stark eingeschränkt und die meisten Vollmachten an sich gezogen.

Der kalte Machtkampf mit dem Militär, das an seinen Privilegien festhalten, aber auch eine Islamisierung des Landes verhindern will, reflektierte sich auch im Tauziehen um den Ort der Vereidigung Mursis. Die Muslimbruderschaft hatte die Auflösung des Parlaments nicht akzeptiert und verlangte eine Zeremonie in dem vom Militär geschlossenen Parlamentsgebäude. Die Generäle beharrten hingegen darauf, dass Mursi - wie in ihren Verfassungszusätzen vorgesehen - den Amtseid vor dem Verfassungsgericht ablegt.

Mursi und seine Organisation, aus der er nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlsiegs formell ausgetreten war, gaben schließlich nach. Der neue Präsident wird sich den Eid von den Verfassungsrichtern abnehmen lassen.

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