Ägypten: Schenuda III.:Der Papst der Kopten

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Der Anschlag an Silvester hat das Verhältnis zwischen Ägyptens Christen und der muslimischen Mehrheit erschüttert. Dass es davor einigermaßen funktionierte, ist Schenuda III. zu verdanken, dem Papst der Kopten.

Tomas Avenarius

Als Oberhaupt der ägyptischen Christen muss Schenuda III. jedes seiner Worte wägen. Nach dem Neujahrs-Terroranschlag auf eine Kathedrale in Alexandria nahm der "Papst von Alexandria und Patriarch der koptisch-orthodoxen Kirche" kein Blatt mehr vor den Mund: "Der Staat steht in der Pflicht. Wenn die Kopten Probleme haben, muss er sie lösen'', sagte Schenuda. "Und wenn bestimmte Gesetze eine Gruppe benachteiligen, müssen diese Gesetze geändert werden."

Historiker, Archäologe, Mönch, Papst: Der 88-jährige Schenuda III., Oberhaupt der koptischen Kirche. (Foto: AFP)

Der oberste koptische Geistliche Ägyptens steht einer Minderheit vor, die sich von Staat und Gesellschaft mit Recht diskriminiert fühlt. In Ägypten mit seinen mehr als 85 Prozent sunnitischen Muslimen ein Christ zu sein, ist schwer. Karrierechancen im Staatsdienst gibt es wenige.

Im Geschäftsleben streben Kopten in Bereiche, die christlich dominiert werden: Sie sind im Bankenwesen stark, in bestimmten Handelszweigen und in Berufen wie Arzt oder Apotheker. Aber im Alltag entscheidet oft die Religionszugehörigkeit über die berufliche Zukunft. Und ein großer Teil der Christen gehört zu den Ärmsten der Armen.

Trotz aller Benachteiligungen hat das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit zuletzt einigermaßen funktioniert. Zu verdanken ist dies auch dem Kopten-Papst: Der 1923 im oberägyptischen Assiut unter dem Namen Nasir Gajed Rafail geborene Mönch Antonius al-Suriani und spätere Papst Schenuda III. hat immer den Ausgleich gesucht.

Der Kopte hat im muslimischen Präsidenten Hosni Mubarak einen Gegenspieler, der an religiösem Zwist selbst kein Interesse hat. Mubarak weiß, wie schnell Ägypten mit seinen 80 Millionen Einwohnern von Religionsstreit bedroht werden könnte. Dennoch hat der Staatschef die schleichende Neo-Islamisierung aller Lebensbereiche zugelassen.

Da die Kopten-Kirche nie reformiert wurde, ist sie extrem konservativ: Konflikte um gemischt-religiöse Beziehungen werden von Christen und Muslimen zum Anlass für erbitterten Streit genommen, der Kirchenbau wird vom Staat behindert, die Scharia als offizielle Rechtsquelle im pro forma säkularen Ägypten kommt erschwerend dazu.

Der inzwischen 88-jährige Schenuda lernte unter Mubaraks Vorgänger Anwar al-Sadat ein anderes Ägypten kennen. Weil er als Patriot gegen den Friedensvertrag mit Israel war und den Kopten die Pilgerfahrt nach Jerusalem untersagte, zwang Sadat den Kirchenmann ins Wüstenexil. Erst unter Mubarak konnte der 1971 zum Papst gewählte Priester seine Aufgabe wieder wahrnehmen.

Schenuda war ursprünglich Historiker und Archäologe, bevor er die Kirchenkarriere und das Mönchsdasein wählte. Auch seine Glaubensbrüder kennen ihre viele tausend Jahre alte Geschichte: Die Kopten verstehen sich als die wirklichen Ägypter und Nachfahren der alten Pharaonen. Die Araber kamen erst im 7. Jahrhundert - die Eroberer brachten den Islam mit, ihre Kultur und ihre Sprache. Wirklich eins geworden sind Kopten und Muslime nie: Die Kopten verstehen sich als Säule der Christenheit, weil sie vom Evangelisten Markus missioniert wurden. Schenuda ist der 117. Nachfolger des Heiligen Markus.

© SZ vom 05./06.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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