Ägypten: Proteste der Regimegegner:Reist Mubarak nach Deutschland aus?

Ägyptens Präsident Mubarak lässt das Ultimatum der Opposition verstreichen, die Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo gehen deshalb weiter. Inzwischen gibt es sogar die Idee, Mubarak nach Deutschland ausreisen zu lassen.

Auch am zwölften Tag reißen die Proteste gegen Ägyptens Präsident Hosni Mubarak nicht ab.Mubarak hatte sich zuvor geweigert, den Forderungen der Massen nachzukommen und sofort zurückzutreten. Ein Ultimatum der Opposition, das am Freitag endete, ließ er verstreichen.

Anti-Government Protesters Clash With Pro-Mubarak Demonstrators

Noch immer protestieren Tausende auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Sie wollen erst aufhören, wenn Präsident Hosni Mubarak zurücktritt.

(Foto: Getty Images)

Deshalb protestieren nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira auch am frühen Morgen weiter Tausende Regimegegner auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo. Derzeit sei es relativ ruhig, sagte ein Korrespondent: Viele Demonstranten schliefen noch in Decken eingerollt, an die anderen wurde Tee verteilt.

Die Regimekritiker hatten am Freitagabend bekräftigt, nicht aufgeben zu wollen, bevor Mubarak aus dem Amt gejagt sei. Die Kundgebungen verliefen meist friedlich, größere Zwischenfälle wurden nicht bekannt. In einigen Seitenstraßen nahe des Platzes lieferten sich Gegner und Anhänger Mubaraks sporadische Steinwurf-Duelle.

Unterdessen wurde die nächtliche Ausgangssperre gelockert. Künftig gelte sie von 19.00 Uhr Ortszeit bis 6.00 Uhr morgens, meldete Al-Dschasira unter Berufung auf das staatliche ägyptische Fernsehen. Das sind drei Stunden weniger als bisher.

Unterdessen gibt es nach einem Bericht der New York Times Überlegungen, Präsident Hosni Mubarak zu einer medizinischen Untersuchung nach Deutschland ausfliegen zu lassen. Dies sei Teil von Planungen der Führung um Vizepräsident Omar Suleiman, Mubarak einen würdigen Ausweg aus der Krise aufzuzeigen. Er würde demnach zu seinem üblichen Gesundheits-Checkup nach Deutschland fliegen und diesmal länger bleiben.

Eine andere Variante sei, dass der Präsident sich in sein Ferienhaus im Badeort Scharm el Scheich zurückziehe, schreibt die Zeitung. Sie berief sich dabei auf ungenannte US-Regierungsmitarbeiter. Ziel sei, dass Mubarak den Präsidentenpalast verlasse, aber nicht seines Amtes enthoben werden müsse.

Obama redet, Mubarak tagt

US-Präsident Barack Obama forderte Mubarak auf, sich nicht dem Willen der Bevölkerung zu verweigern. Er habe bislang zweimal mit Mubarak gesprochen, sagte Obama in Washington. Dabei habe er ihm nahegelegt, "darauf zu hören, was das ägyptische Volk vorbringt, und ein Urteil zu fällen".

Der ägyptische Präsident müsse sich vor allem fragen, wie er den politischen Übergang "effektiv, dauerhaft und legitim" gestalten wolle. "Ich glaube, dass sich Präsident Mubarak um sein Land kümmert. Er ist stolz, aber er ist auch ein Patriot", sagte Obama über den ägyptischen Präsidenten weiter.

Der 82-jährige Mubarak versuchte am Samstag, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Er hielt im Präsidentenpalast im Kairoer Stadtteil Heliopolis eine Sitzung ab, an der mehrere Minister der neuen Regierung teilnahmen. Das meldeten die Staatsmedien.

An den Beratungen waren den Angaben zufolge neben Regierungschef Ahmed Schafik mehrere Minister aus den Ressorts Wirtschaft, Handel, Industrie und Finanzen beteiligt sowie der Vorsitzende der Zentralbank, Faruk al-Okda.

MIt der Sitzung sollte nach Ansicht von Beobachtern auch gezeigt werden, dass Mubarak nicht nur nominell sondern auch praktisch noch der Mann an der Spitze des Staates ist.

Al-Dschasira-Bürochef festgenommen

Die ägyptischen Sicherheitskräfte setzen derweil Journalisten vor Ort weiter unter Druck: Der Kairoer Bürochef des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira ist nach Angaben seines Arbeitgebers festgenommen worden.

Ägyptische Sicherheitskräfte hätten Abdel Fattah Fajed sowie den Al-Dschasira-Journalisten Ahmed Jussef in Gewahrsam genommen, berichtete der in Katar ansässige Sender am Samstag auf seiner Website.

Am Freitag hatte Al-Dschasira mitgeteilt, sein Büro in Kairo sei von Unbekannten angegriffen worden, die die Ausrüstung zerstört hätten. Am Sonntag hatte die ägyptische Regierung den Satellitensender mit einem Verbot belegt, da die Fernsehstation ausführlich über die Proteste berichtet hatte. Zahlreiche Mitarbeiter des Senders waren zwischenzeitlich festgenommen worden.

Wie der arabische Nachrichtensender unter Berufung auf Berichte der äyptischen Tageszeitung Al Ahram weiter meldete, erlag am Freitag ein Journalist seinen vor wenigen Tagen erlittenen Verletzungen. Es handele sich um den ersten bei den Unruhen in Ägypten getöteten Journalisten.

Ägyptens neuer Finanzminister Samir Radwan entschuldigte sich unterdessen für die Übergriffe auf Demonstranten seitens der ägyptischen Sicherheitskräfte. Er wolle sich "bei jedem Journalisten, jedem Ausländer und jedem Ägypter entschuldigen", der so "grob behandelt" worden sei, sagte er dem Sender CNN.

Gaspipeline explodiert

Am Samstag hat es offenbar auch einen Anschlag auf die Infrastruktur des Landes gegeben: Im Norden der ägyptischen Halbinsel Sinai explodierte am Samstag eine Gaspipeline. Ein gewaltiges Feuer loderte in der Nähe des Gazastreifens, wie ägyptische Medien und Augenzeugen berichteten. Inzwischen ist der Brand nach Angaben des israelischen Rundfunks allerdings gelöscht.

Verschiedene Medien in der Region melden, dass auf die Pipeline ein Sprengstoffanschlag verübt worden sei. Zu der Explosion kam es an einer Gaskompressorstation in der Nähe der Ortschaft El Arisch, mehrere hundert Meter von einem Flughafen entfernt, wie Augenzeugen sagten.

Von der Station führen Pipelines nach Jordanien und Israel. El Arisch liegt etwa 70 Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Berichte über Verletzte liegen derzeit nicht vor. Die Pipeline war in der Vergangenheit Ziel von Angriffen. Beduinen hatten im vergangenen Juli versucht, die Leitung zu sprechen. Sie werfen der ägyptischen Regierung Diskriminierung und Untätigkeit vor.

Auch Israel ist auf die Gaspipeline angewiesen, um seinen Energiebedarf zu decken und gibt Milliarden für das Erdgas aus Ägypten aus. Die ägyptischen Gaslieferungen an Israel und Jordanien sind nach Angaben des israelischen Rundfunks vorübergehend ausgesetzt worden.

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