Ägypten:Islamisten wollen Pyramiden zerstören

Die Pyramiden sind das pharaonische Erbe Ägyptens, doch für manche Islamisten sind sie "Symbole der Gotteslästerung". Sie rufen zu ihrer Zerstörung auf. Dass der Staat nicht darauf reagiert, geschweige denn die Islamisten dafür belangt, sagt viel über den Zustand des Landes.

Tomas Avenarius, Kairo

Ägypten: Berittener ägyptischer Polizist in Gizeh: Islamisten möchten die Pyramiden schleifen.

Berittener ägyptischer Polizist in Gizeh: Islamisten möchten die Pyramiden schleifen.

(Foto: AFP)

Der Mann ist zweifellos vom Fach, wenn auch von einem fragwürdigen. Er sei stolz darauf, 2001 dabei gewesen zu sein, als die Taliban die Buddha-Statuen von Bamian in Afghanistan in die Luft gesprengt haben, sagt der ägyptische Prediger Murgan Salem al-Gohari.

Der Taliban-Vandalismus in Afghanistan ist als einzigartige Bilderstürmerei im späteren 20. und frühen 21. Jahrhundert in die Geschichte eingegangen, aber der Ägypter Gohari will noch weiter gehen: Er will die Pyramiden von Gizeh und alle anderen "Idole" aus der Zeit der Pharaonen zerstören. "Diese Götzenbilder sind Symbole der Gotteslästerung", so der ultraradikale Salafist in einer ägyptischen Fernsehsendung. "Jeder Muslim muss gegen sie vorgehen."

Goharis Worte haben in Ägypten mehr als nur eine Debatte ausgelöst. Die Tatsache, dass ein selbst geschulter Prediger nicht nur die Kulturgeschichte des Tourismuslandes - und damit Ägyptens Einkommensquelle - in Frage stellt, ist das eine. Es könnte mit dem Hinweis abgetan werden, dass religiöse Fanatiker im Nahen Osten häufiger zu finden sind als anderswo auf der Welt.

Aber Gohari, der offen zu Gewalt aufruft, hat ein allen zugängliches Fernseh-Forum gefunden und wird vom Staat nicht belangt. Das sagt viel über den Zustand des nachrevolutionären Ägypten. Radikale Islamisten bestimmen den Diskurs, und das mit immer radikaleren und absurderen Forderungen.

Radikale Gruppen betonen das Bilderverbot

Ein Land, das derzeit weder Parlament noch Verfassung hat, diskutiert über die Verheiratung von 14-jährigen Mädchen, den Zeitpunkt der Einführung der Scharia samt Körperstrafen oder darüber, ob die Pyramiden in Gottesfurcht Stein für Stein abzutragen, zu sprengen oder zu erhalten seien.

Gohari, der in Afghanistan gegen die US-Truppen gekämpft haben will, findet zwar wenig Zustimmung. Aber zum selben Zeitpunkt wird in Ägypten eben auch darüber diskutiert, wie viel Islam das neue Grundgesetz braucht. Nach Meinung der Christen und Säkularisten deutlich weniger, als es Gohari und seine Gesinnungsgenossen wünschen und mit aller Macht im Verfassungsausschuss durchzudrücken versuchen.

Auch der neue Kopten-Papst Tawadros hält sich angesichts der seit Monaten anhaltenden Offensive der Islamisten-Mehrheit nicht mehr zurück. Sollte der über den Grad der Islamisierung des Grundgesetzes entscheidende Paragraf im Sinne der Koran-Politiker verschärft werden, werde er "die Kirchenvertreter aus dem Verfassungsgremium zurückziehen", kündigte er an.

Goharis Forderung ist vom Gedankengut radikaler Islamisten nicht ganz so weit entfernt, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das Bilderverbot im Islam wird von strengen, radikalen Gruppen betont. Die saudischen Wahhabiten hatten einst sogar das Grab des Propheten Mohammed in Medina eingeebnet, weil es angeblich gotteslästerlich dekoriert war.

Auch der Wunsch, das pharaonische Erbe Ägyptens auszulöschen, ist nicht neu. Direkt nach der Revolution gegen Hosni Mubarak hatte sich ein anderer Prediger mit der Forderung hervorgetan, die frevlerische Nacktheit der Ramses-Statuen zu verhüllen, indem man Ägyptens früheste Herrscher mit Wachs überziehe. Die halbnackten Königskörper könnten die Muslime von Gebet und Gottesfurcht ablenken. Von den Muslimbrüdern, die immerhin den Staatspräsidenten stellen, war zu Goharis pyramidalem Bildersturm bisher noch keine klare Absage zu hören.

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