Süddeutsche Zeitung

Ägypten:Anschlag auf den Tourismus

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Nahe den Pyramiden von Gizeh explodiert ein Sprengsatz und zerstört einen Reisebus. 17 Menschen werden verletzt. Der Anschlag trifft Äygptens Tourismusindustrie, die sich gerade erholte.

Von Dunja Ramadan, München

In der Nähe des Großen Ägyptischen Museums und der Pyramiden in Gizeh ist am Sonntagnachmittag ein Sprengsatz explodiert. Offenbar war das Anschlagsziel ein vorbeifahrender Touristenbus, in dem nach Angaben des lokalen Fernsehens 25 Touristen, mehrheitlich aus Südafrika, saßen. Lokale Medien berichten unter Berufung auf die Sicherheitskräfte, dass auch ein Auto mit vier ägyptischen Insassen von der Explosion getroffen wurde. 17 Menschen wurden teilweise durch herumfliegende Glassplitter verletzt und in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Auf Fernsehbildern ist der schwer beschädigte Reisebus sowie eine zerstörte Straßenmauer und herumliegendes Geröll in der Nähe des El Remaya-Platzes, also in Sichtweite zu den Pyramiden, zu sehen. Offenbar wurde der Sprengsatz in der Nähe einer Mauer deponiert, um vorbeifahrende Autos und deren Insassen zu treffen.

Es sind Bilder, die Parallelen aufweisen zu einem Anschlag vom vergangenen Dezember. Wenige Tage nach Heiligabend explodierte ein Sprengsatz, ebenfalls in der Nähe von Gizeh, ebenfalls war ein Touristenbus das Anschlagsziel. Vier Menschen starben dabei, drei Touristen aus Vietnam und ein Ägypter. Nur einen Tag später verkündete das ägyptische Innenministerium damals, die Sicherheitskräfte hätten "vierzig Terroristen" in verschiedenen "Nestern" getötet, unter anderem in Gizeh und im Norden der Sinai-Halbinsel, wo die ägyptische Armee seit Jahren gegen einen Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat kämpft.

Der nun zweite Anschlag innerhalb eines halben Jahres in der Nähe der Pyramiden trifft das wirtschaftlich stark angeschlagene Ägypten schwer. Das "Grand Egyptian Museum" soll das größte Museum der Welt werden, es ist ein multinationales Prestigeprojekt - und soll 2020 eröffnet werden. Das Land am Nil erhofft sich dadurch eine Wiederbelebung des Kulturtourismus. Seit der Revolution von 2011 und dem Sturz von Langzeitherrscher Hosni Mubarak im Jahr 2011 scheuen viele Touristen eine Reise nach Kairo und wählen, wenn überhaupt, lieber einen Badeurlaub am Roten Meer.

Zuletzt hatte sich die ägyptische Tourismusindustrie langsam erholt. 2016 kamen 5,3 Millionen Besucher ins Land, 2017 waren es schon 8,2 Millionen - aber immer noch sind die Zahlen weit entfernt von den fast 15 Millionen Touristen im Jahr 2010.

Auch die Anschlagsserie auf Christen in den vergangenen Jahren brachte die Regierung in Kairo in Erklärungsnot. Erst im vergangenen November wurde ein Bus mit koptischen Pilgern in der Provinz Al-Minja beschossen. Dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und rund 14 weitere Personen verletzt. Die Terrormiliz IS reklamierte die Tat für sich.

Die ägyptische Armee berichtet zwar regelmäßig über ihre Erfolge im Kampf gegen die Dschihadisten auf dem Sinai, allerdings können diese nicht unabhängig bestätigt werden, da Journalisten und Diplomaten kaum Zugang gewährt wird. Erst am vergangenen Donnerstag meldete die Regierung in Kairo man habe 47 Aufständische getötet, auch vier Soldaten und ein Offizier sollen bei den Auseinandersetzungen umgekommen seien. Zudem seien fast 160 Menschen festgenommen worden, teilte die ägyptische Armeeführung mit.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren regelmäßig die autoritär geführte Regierung unter Präsident Abdelfattah al-Sisi, der mit harter Hand gegen Oppositionelle und Kritiker vorgeht. Sie gehen von mehr als 60 000 politischen Gefangenen aus. Unter ihnen sind nicht nur Muslimbrüder, sondern auch Journalisten, Oppositionelle, Aktivisten. Die Regierung rechtfertigt ihr Vorgehen mit der Terrorgefahr im Land. Am vergangenen Freitag begnadigte al-Sisi 560 Häftlinge, darunter einen bekannten Journalisten und regierungskritische Demonstranten.

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SZ vom 20.05.2019
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