Ägypten vor der Wahl:El Baradei will Chef der Übergangsregierung werden

Mohammed el Baradei erhöht den Druck auf die umstrittene Militärregierung in Ägypten: Als Ministerpräsident einer Übergangsregierung will er die "Ziele der ägyptischen Revolution" umsetzen - im Gegenzug auf seine Kandidatur als Präsident verzichten. Die Proteste gegen den Militärrat gehen unterdessen weiter.

In Ägypten hat Präsidentschaftskandidat Mohammed el Baradei angeboten, eine Übergangsregierung zu führen. Der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erhöht damit den Druck auf das Militär, gegen dessen Herrschaft sich heftiger Protest regt.

Mohamed El-Baradei

Noch ist er Demonstrant, bald will er aber ägyptischer Regierungschef oder Präsident werden: Mohammed el Baradei auf dem Tahrir-Platz in Kairo.

(Foto: AP)

Baradei kündigte am Samstagabend an, seine Kandidatur fallenzulassen, falls er beauftragt werde, eine Regierung der nationalen Einheit zu führen. Zuvor hatte er sich mit dem Chef des Militärrates, Hussein Tantawi, getroffen. Baradei sei aber nur unter der Bedingung bereit, dass seine Regierung mit besonderen Vollmachten ausgestattet werde, um die Übergangsphase zu überstehen, wieder für Sicherheit zu sorgen, die Wirtschaft anzukurbeln und die "Ziele der ägyptischen Revolution umzusetzen", erklärte sein Büro.

Bereits Anfang der Woche war aus ägyptischen Armeekreisen mitgeteilt worden, dass der Militärrat erwäge, Baradei zum neuen Regierungschef zu ernennen. Demnach steht auch der frühere Muslimbruder Abdel Monem Abul Fotuh für das Amt zur Debatte. Am Freitag beteiligte sich Baradei an der Demonstration auf dem Tahrir-Platz in Kairo, bei der zehntausende Menschen den sofortigen Rücktritt des Militärrates und die Aufarbeitung des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Proteste gefordert hatten. Er erschien mit einer ägyptischen Fahne um die Schultern zum Freitagsgebet.

Am Sonntagmorgen harrten hunderte Demonstranten harrten auf dem Kairoer Tahrir-Platz aus. Sie hatten in Zelten im Stadtzentrum übernachtet, um den Platz besetzt zu halten. Für den Nachmittag riefen Oppositionsgruppen erneut zu Massenprotesten auf. Vor dem etwa 500 Meter entfernten Kabinettsgebäude setzten Aktivisten ihre Sitzblockade fort. Sie wollen den vom Militärrat zum neuen Ministerpräsidenten ernannten Kamal al Gansuri daran hindern, das Gebäude zu betreten. Die Protestbewegung sieht in Gansuri einen Vertreter des alten Regimes.

Mann stirbt bei Demonstration in Kairo

Bereits am Samstag starb bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Kairo ein Mann. Demonstranten lieferten sich Handgemenge mit Polizisten und Soldaten, die sie offenbar vertreiben wollten.

Augenzeugen sagten, dass ein Demonstrant von einem Fahrzeug der Sicherheitskräfte überfahren worden sei. Videoaufnahmen, die im Internet erschienen, zeigten, wie Demonstranten einem blutenden Mann zur Hilfe eilten. Das Innenministerium äußerte Bedauern über den Tod des Demonstranten und sprach von einem Unfall. Die Polizei habe die Protestaktion nicht beenden, sondern lediglich zum Innenministerium hinter dem Kabinettsgebäude fahren wollen, hieß es. Die Demonstranten kritisieren, dass der Übergang zur Demokratie und einer zivilen Regierung zu schleppend vorangehe.

Mittlerweile hat der Militärrat sein Entgegenkommen signalisiert: Angesichts andauernder Proteste will er auf eine im Grundgesetz festgeschriebene Sonderstellung verzichten. Das Staatsfernsehen zitierte Tantawi mit den Worten: "Der Status der Armee bleibt auch in der neuen Verfassung unverändert." Er versprach den Angaben zugleich "maximale Sicherheit" für die am Montag beginnenden Parlamentswahlen. Die geplanten Verfassungsleitlinien hatten die Proteste angeheizt, weil sie unter anderem die Macht des Militärs absichern sollten. Die Armee genoss schon unter dem Präsidenten Hosni Mubarak zahlreiche Privilegien. Sie ist ein Staat im Staate, mit eigener Gerichtsbarkeit und auch mit eigenen Unternehmen.

Militärrat kritisiert Demonstranten

Tantawi übte aber auch Kritik an den Demonstranten: Er werde nicht zulassen, dass "Einzelpersonen oder irgendwelche Parteien" Druck auf die Armee ausübten. Ägypten stehe vor "gewaltigen Herausforderungen", vielen der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz sei das jedoch nicht bewusst. Tantawi sprach zudem von "ausländischen Elementen", die versuchten, der Sicherheit Ägyptens zu schaden und dabei von "Elementen aus dem Inland" unterstützt würden.

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