Adoptionsrecht vor dem Verfassungsgericht:Was gute Eltern ausmacht

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Eheleute dürfen Kinder adoptieren, gleichgeschlechtliche Paare nicht. Das Verfassungsgericht muss nun entscheiden, ob diese Praxis rechtens ist. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage, ob heterosexuelle Menschen bessere Eltern sind als homosexuelle. Eine Studie des Justizministeriums hat diese Frage bereits beantwortet.

Von Heribert Prantl

Von der Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach stammt der Satz: "Es gibt leider nicht sehr viele Eltern, deren Umgang für Kinder wirklich ein Segen ist." Und Karl Kraus, der große Spötter, hat einmal gesagt: "Das Wort 'Familienbande' hat einen Beigeschmack von Wahrheit." In solchen Sätzen steckt einiges an Lebenserfahrung - die aber dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht in dem zu entscheidenden Fall nicht wirklich weiterhilft.

Die höchsten deutschen Richter müssen am Dienstag über eine Fundamentalfrage urteilen, in der es um Lebenserfahrung, Tradition, Grundrechte, Kindeswohl und Verantwortung geht: Was sind Eltern? Was macht sie aus? Muss es auch homosexuellen Paaren, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, erlaubt sein, als rechtliche Eltern gemeinsam für ein Kind zu sorgen? Können auch sie einem Kind "Vater und Mutter" sein?

Ist dieses Verbot verfassungsrechtlich gesichert?

Gewiss richtig ist: Ein Kind erzeugen können nur ein Mann und eine Frau, die damit (zumindest zunächst einmal) die Eltern des Kindes sind. Bei homosexuellen Paaren dagegen kann es sein, dass ein Partner ein leibliches Kind in die Partnerschaft mitbringt. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber seit 2005 die Möglichkeit eröffnet, dass der andere Lebenspartner das Kind adoptiert, sodass beide für das Kind rechtliche Eltern sind. Ansonsten kann bisher zwar ein Lebenspartner ein Kind adoptieren oder schon adoptiert haben und in die Lebenspartnerschaft mitbringen; doch dem anderen Lebenspartner ist es derzeit verwehrt, für das Kind im Wege der sogenannten Sukzessivadoption ebenfalls rechtliche Elternschaft zu übernehmen.

Ob dieses Verbot verfassungsrechtlichen Maßstäben standhält, darüber urteilt das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Die bisher schon erlaubte Stiefkindadoption und die Sukzessivadoption ähneln sich darin, dass die Kinder ja schon mit den Lebenspartnern zusammenleben - es bei der Adoption also (nur) darum geht, das bereits vorhandene soziale Band zum anderen Lebenspartner auch noch durch ein rechtliches, nämlich die Adoption, zu ergänzen.

Um das bisherige Verbot der Sukzessivadoption für verfassungswidrig zu erklären, reicht es also, wenn die Karlsruher Richter feststellen, dass das Kind durch die Adoption keiner (weiteren) Gefährdung in seiner Entwicklung ausgesetzt sei, sondern es sogar durch die Adoption in eine bessere Rechtsposition zum anderen Lebenspartner gebracht würde. Die Sukzessivadoption bringt dem Kind Vorteile: Unterhalts- und Erbansprüche zum Beispiel. Es ist also zu erwarten, dass das Verfassungsgericht das Verbot der Sukzessivadoption für Lebenspartner als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aufhebt.

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Eigentlich aber ist noch viel mehr zu klären. Es ist ganz Grundsätzliches zu entscheiden: Können homosexuelle Paare nicht ganz generell ebenso wie Ehepaare für ein Kind gute Eltern sein? Und müssen sie deshalb auch das Recht erhalten, gemeinsam ein Kind adoptieren zu können, wenn sie die Voraussetzungen bieten, dem Kindeswohl förderlich zu sein? Die Gegner der gemeinsamen Adoption meinen, für die gedeihliche Entwicklung eines Kindes sei maßgeblich, dass sie in der Elternbeziehung "Männlichkeit wie Fraulichkeit" erfahren. Manche glauben auch, dass die (homo-)sexuelle Orientierung der Eltern quasi "abfärben" könne auf die Kinder.

Die Emotionen gehen bei diesem Thema schnell hoch; es ist das eigene sexuelle Selbstverständnis des Betrachters dabei mit berührt. Gewiss: Die gesellschaftliche Haltung zur Homosexualität hat sich sehr verändert. Was noch bis Mitte der Neunzigerjahre unter Strafe stand, regt heute so gut wie niemanden mehr auf; und an den Umstand, dass Homosexuelle sich offen als Paare zeigen und Lebenspartnerschaften eingehen können, hat man sich gewöhnt. Die Toleranz, ja Akzeptanz ist gestiegen. Doch wenn es um Kinder in homosexuellen Partnerschaften geht, hört für viele dann doch die Duldsamkeit auf. In Debatten ist bisweilen von "Widernatürlichkeit" die Rede.

Auch Homosexuelle sind Menschen

Auch Homosexuelle können - siehe schon heute die Stiefkindadoption - Eltern sein, nur mit ihren Partnern eben keine Kinder bekommen. Auch Homosexuelle können den Wunsch nach Kindern haben, auch wenn sie zusammen keine zeugen können. Da ergeht es ihnen genauso wie Eheleuten, bei denen sich der Wunsch nach eigenen Kindern nicht erfüllt.

Es stellt sich also die Frage, ob es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz verstößt, dass Lebenspartnern verwehrt wird, was Ehepaaren rechtlich eingeräumt ist: über den Weg der Adoption rechtlich anerkannte Eltern eines Kindes zu sein. Eine Ungleichbehandlung von Ehepaaren und Lebenspartnern lässt das Bundesverfassungsgericht inzwischen, wie viele Entscheidungen auch aus jüngster Zeit zeigen, nur dann noch durchgehen, wenn es dafür triftige Gründe gibt. Denn, so das Gericht, Ehe und Lebenspartnerschaft seien gleichermaßen Verantwortungsgemeinschaften - und eine Differenzierung allein wegen der sexuellen Orientierung sei aus Verfassungsgründen nicht zulässig.

Eltern sind Eltern

Also muss entschieden werden, ob es womöglich gerade die homosexuelle Orientierung sein könnte, die dem Kindeswohl abträglich sein und deshalb doch zum triftigen Grund gereichen könnte, den Adoptionswunsch zu unterbinden. Man kann gespannt sein, ob das Gericht sich dieser Frage stellt oder sie diesmal noch umschifft. Die wissenschaftlichen Grundlagen für eine Entscheidung liegen vor: Eine vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebene Untersuchung ("Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften", herausgegeben von Marina Rupp) hat sehr klar festgestellt: Für das Wohlbefinden von Kindern ist nicht die sexuelle Orientierung der Eltern maßgeblich, vielmehr kommt es darauf an, wie viel Liebe, Zuneigung, Anregung und Lebensorientierung sie von diesen erhalten.

Das ist eigentlich eine Erkenntnis, die nicht neu ist. Sie trifft auf leibliche Eltern ebenso zu wie auf Adoptiveltern, die ehelich verbunden sind. Und sie wurde nun auch für schwule und lesbische Eltern bestätigt.

Wenn dem aber so ist, dann kann die Adoption von Kindern durch Lebenspartner nicht mehr verboten werden. Dann wird das Verfassungsgericht über kurz oder lang anordnen müssen, was in Frankreich derzeit das Parlament macht: die weitgehende Gleichstellung von Homo-Ehe und Ehe.

© SZ vom 18.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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