Adoptionsrecht für Homosexuelle:Vater, Vater, Kind

  • Das österreichische Verfassungsgericht hat diese Woche das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare gekippt.
  • In Deutschland ist es eingetragenen Lebenspartnern bisher nicht erlaubt, gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Sie können dies allenfalls auf einem Umweg erreichen.
  • Die Schwulen und Lesben kämpfen hier für das volle Adoptionsrecht oder - besser noch - für Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare.
  • Eine völlig Gleichstellung scheitert bislang am Widerstand der Union. Verfassungsgerichtsurteile der vergangenen Jahre weisen allerdings darauf hin, dass sie kommen wird.

Von Barbara Galaktionow

Volles Adoptionsrecht für Homo-Paare in Österreich kommt

Irgendwann könnten fast alle europäischen Staaten an Deutschland vorbeigezogen sein, was die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften angeht. Bei Eheschließungen, aber auch, bei der Adoption nicht leiblicher Kinder. Und allzu lang wird es vielleicht nicht mehr dauern, bis Deutschland hier merkwürdig anachronistisch anmutet.

Das österreichische Verfassungsgericht hat diese Woche geurteilt, es sei verfassungswidrig, dass es gleichgeschlechtlichen Paaren untersagt ist, ein nicht leibliches Kind - in Österreich offiziell als "Wahlkind" bezeichnet - adoptieren zu dürfen. Bislang können eingetragene Lebenspartner dort nur das Kind ihres Partners, also ihr Stiefkind, adoptieren. Spätestens zum Jahresende muss das nun geändert werden.

Es gebe "keine sachliche Rechtfertigung für eine aufgrund der sexuellen Orientierung unterscheidende Regelung", begründet das Gericht in Wien seine Entscheidung. Auch nicht das Kindeswohl: Grundsätzliche Bedenken, die darauf abzielten, dass es Kindern schade, wenn sie mit gleichgeschlechtlichen Partnern aufwachse , seien "von vorneherein ungeeignet", heißt es. Und auch der "Schutz der Ehe" stünde dem nicht entgegen.

Lage in Deutschland

Die Mitglieder des Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) freuen sich über das Urteil im Nachbarland. Es sei eine "sehr, sehr gute Entscheidung", sagt Markus Ulrich, Pressesprecher des Verbands. Das österreichische Gericht argumentiere im Wesentlichen genauso, wie das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, als es Homosexuellen im Februar 2013 die sogenannte Sukzessivadoption erlaubte, ihnen also das Recht gab, nicht nur die leiblichen, sondern auch die adoptierten Kinder ihrer Lebenspartner zu adoptieren.

Seitdem hat sich in Deutschland allerdings nicht mehr viel getan. Noch immer kämpfen Schwule und Lesben für das volle Adoptionsrecht. Und noch immer setzen sie sich dafür ein, dass sie sich nicht nur "verpartnern", sondern einfach heiraten können, dass also die die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wird. Mit einem solchen Schritt wären dann quasi automatisch alle anderen Fragen der Gleichstellung homosexueller Paare gelöst.

Was es verändern könnte

De facto würde das wohl nur in einzelnen Fällen wirklich etwas ändern, beispielsweise bei der Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen, die hier nur als Lebenspartnerschaften gelten. Oder auch in einzelnen Steuerfragen. Denn vor allem durch die Sukzessivadoption ist es lesbischen und schwulen Paaren ja jetzt schon möglich, ein nicht-leibliches Kind zu adoptieren, wenn auch nicht gleichzeitig, sondern nur zeitlich versetzt.

Doch Ulrich vom LSVD betont: "Auch Symbole sind wichtig." Relevant werden könne das zum Beispiel bei der Debatte um den Bildungsplan. Hier wurde in Baden-Württemberg heftig um die Frage gestritten, ob alternative Liebesformen Unterrichtsthema sein dürfen. Oder auch beim Ausfüllen eines Formulars, wenn Menschen sich mit ihrem Häkchen beim Familienstand eben nicht mehr als schwul oder lesbisch outen müssen, wenn sie den Punkt "verpartnert" ankreuzen.

Union mauert gegen Gleichstellung

Zum Leidwesen der Schwulen- und Lesbenvertreter setzen allerdings auch CDU/CSU auf die Strahlkraft des Symbolischen - und verweigern jeden Schritt in Richtung Gleichstellung, der ihnen nicht durch das Verfassungsgericht diktiert wird. Und das, obwohl ihr Beharren, die klassische Ehe von der sogenannten Homo-Ehe abzugrenzen, auf Dauer wohl nicht erfolgreich sein wird. Das zeigen die Urteile der vergangenen Jahre deutlich, die alle in Richtung Gleichstellung weisen.

Die Union und Kanzlerin Merkel sollten endlich ihre "Bauchgefühle überwinden", fordert anlässlich des Urteils in Österreich LSVD-Vorstandsmitglied und früherer Bundesanwalt Manfred Bruns. Das würde auch die Familiengerichte entlasten, die bei Adoptionen nicht-leiblicher Kinder mit den künftigen Eltern nicht mehr den Umweg über die Sukzessivadoption nehmen müssten. Und natürlich das Bundesverfassungsgericht, dass sich nicht mehr mit einzelnen Aspekten der Gleichstellung befassen müsste.

Situation im europäischen Ausland

Gehörte Deutschland noch zu den Vorreitern, als es 2001 mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Instrument zur Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare schaffte, so hinkt es im Vergleich zu anderen europäischen Staaten inzwischen hinterher. Ob Dänemark oder Schweden, die Niederlande oder Großbritannien: Zahlreiche Länder öffneten in den vergangenen Jahren die Ehe für homosexuelle Paare und schufen damit zugleich auch das volle Adoptionsrecht - wenn es dabei auch teilweise zu regelrechten Kulturkämpfen kam (zum Beispiel in Spanien oder Frankreich).

Doch auch in diesen Ländern hat sich die Debatte nach der Entscheidung - zumindest vordergründig - erst einmal beruhigt. "Man sieht, dass das Welt eben doch nicht untergeht, wenn Schwulen und Lesben gleiche Rechte bekommen", sagt Verbandssprecher Ulrich.

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