Adoptionsrecht für Homo-Paare:An der Lebenswirklichkeit vorbei

Die Union ist empört über den Vorschlag von SPD-Ministerin Zypries, das Adoptionsrecht für Homo-Paare zu stärken - völlig zu unrecht.

Peter Fahrenholz

In vielen politischen Fragen sind die Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD nur noch marginal. Wenn es Streit gibt, dann meist um den richtigen Weg, nicht um das Ziel. Die große Koalition hat den Prozess der allmählichen Angleichung der Volksparteien beschleunigt.

Homo-Paare Adoption Zypries Kauder iStock

Zwei Väter, ein Kind: Justizministerin Zypries will die Adoptionsrechte von homosexuellen Paaren stärken - zum Ärger der Union.

(Foto: Foto: iStock; Collage: sueddeutsche.de)

Vor allem im konservativen Flügel der Union stößt das auf Unbehagen, dort wird gerne über die schleichende Sozialdemokratisierung der Union geklagt.

Einen Bereich gibt es allerdings, da sind die Unterschiede nicht nur zu SPD, sondern zu allen anderen Parteien, fundamental. Es ist die Gesellschaftspolitik, wo die Unionsparteien vorgeben, für den Erhalt traditioneller Werte zu kämpfen, in Wahrheit aber den Anschluss an die heutige Lebenswirklichkeit verpasst haben.

Das fängt bei der Kinderbetreuung an, wo sich der konservative Teil der Union nur mühsam mit dem Gedanken abfindet, dass der Ausbau staatlicher Betreuungsangebote von den Eltern gewünscht wird und nichts mit Sozialismus zu tun hat.

Ganz besonders krass fallen die Reaktionen aus, wenn es irgendwie um Homosexualität geht. Für viele in der Union ist das, auch wenn sie es nie offen zugeben würden, immer noch eine Art Krankheit, zumindest aber Schmuddelkram.

Bis zuletzt haben die Unionsparteien deshalb vor Jahren die Homo-Ehe bekämpft, bis zum Bundesverfassungsgericht ist man deshalb gezogen - vergebens. Genauso reflexhaft werden jetzt die Vorschläge von Justizministerin Brigitte Zypries zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare abgelehnt.

Wie immer wird der besondere Schutz für Ehe und Familie beschworen, der angeblich ausgehöhlt werden soll. Das ist in zweifacher Hinsicht ein Trugschluss. Denn der traditionellen Familie, so wie sie die Union für wünschenswert hält, wird ja überhaupt nichts weggenommen, weder ihr Stellenwert noch ihre Attraktivität wird in irgendeiner Weise gemindert.

Oder glaubt jemand ernsthaft, wenn die Adoption für homosexuelle Paare erleichtert wird, würde eine junge Frau mit Kinderwunsch lieber eine Lebenspartnerschaft mit ihrer besten Freundin eingehen, statt ihren Freund zu heiraten? Das ist Unfug.

Der zweite Irrtum ist, Familienglück ausschließlich über Strukturen zu definieren. Demnach müssten alle Kinder, die von verheirateten Eltern in einer traditionellen Familie erzogen werden, automatisch glücklicher sein, weil sie ja in der "richtigen", vom Grundgesetz besonders geschützten, Struktur aufwachsen.

Jeder weiß, dass das nicht stimmt. Nicht die Struktur entscheidet über das Glück und die Entwicklung eines Kindes, sondern die Qualität und Intensität der Beziehungen in einer Familie.

Und die können in einer traditionellen Familie gut sein, in einer modernen "Patchwork"-Familie, aber eben auch in einer Familie mit zwei Partnern gleichen Geschlechts. Es geht darum, die Rechte einer Minderheit zu stärken, um nichts weiter.

Der Lebensentwurf der Mehrheit wird davon überhaupt nicht berührt.

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