Adoption bei homosexuellen Paaren:Die Gesellschaft ist weiter als das Gesetz

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechten der Homosexuellen - zuletzt das Urteil zur Adoption - sind eine rechtliche Revolution. Das komplizierte Lebenspartnerschaftsgesetz könnte sich der Gesetzgeber nun sparen und es durch eine simple Formulierung ersetzen: Es ist alles wie bei der Ehe. Doch das hat sich der Bundestag nicht getraut. Lieber lässt er das Gericht für sich arbeiten.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Ehe ist die Verbindung von Mann und Frau: Dieser Satz war jahrhunderte-, ja jahrtausendelang eine Selbstverständlichkeit. Der Satz war so selbstverständlich, dass viele Rechtsordnungen es nicht für notwendig hielten und halten, ihn ausdrücklich zu formulieren.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Ehe nicht definiert. In den juristischen Kommentarwerken heißt es nur knapp: "In Anknüpfung an die christlich-abendländische Tradition ist unter Ehe nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen." Das steht noch immer so da, obwohl es seit zwölf Jahren das Lebenspartnerschaftsgesetz für homosexuelle Paare gibt; aber: Es stimmt so nicht mehr.

Revolution in zwei Jahrzehnten

Das einst Selbstverständliche ist nicht mehr selbstverständlich, weil sich das Verständnis der Gesellschaft darüber grundlegend geändert hat, was eine "natürliche" Paarbeziehung ist und in welchen Beziehungen sich Verantwortung füreinander realisiert. Im jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Adoption von Kindern findet sich das Wort, "dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die in einer Ehe."

Dieser Satz ist Teil einer rechtlichen Revolution, die sich binnen zweier Jahrzehnte vollzogen hat. Erst vor zwanzig Jahren war der letzte Rest des Paragrafen 175 aus dem Strafgesetzbuch getilgt worden. Die "175er" waren hundert Jahre lang die Schwulen, und der Paragraf 175 bestrafte sie für ihre Neigung zu gleichgeschlechtlichen Partnern mit Gefängnis.

Homosexualität ist gesellschaftlich überwiegend akzeptiert

Und jetzt - jetzt ist die Partnerschaft von Homosexuellen, die einst in ganz Europa als Verbrechen galt, vom Recht zu Recht respektiert: Das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 lädt Schwule und Lesben ein, sich vor dem Standesbeamten zu verpartnern; und Homosexuelle dürfen wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden. Das gilt in ganz Europa.

Homosexualität ist heute gesellschaftlich überwiegend akzeptiert; die rechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften war und ist die Folge. Die Anerkennung geht schon heute weiter, als das Gesetz es zugeben mag. Das Gesetz versucht angestrengt, Unterschiedlichkeit der homosexuellen Partnerschaft und der heterosexuellen Ehe zu behaupten. Aber das funktioniert nicht mehr - der Gesetzgeber hat vor zwölf Jahren A und B und C und D zur Lebenspartnerschaft gesagt.

Gleichbehandlung nicht nur erlaubt, sondern geboten

Mitten im rechtlichen Buchstabieren hat der Gesetzgeber aber dann damit aufgehört; diese Aufgabe des rechtlichen Buchstabierens hat deshalb das Bundesverfassungsgericht übernehmen müssen. Es hat in den vergangenen Jahren E , F, G und H gesagt - und soeben auch J.

Erst hat das Gericht, in seiner Grundsatz-Entscheidung von 2002, erklärt, dass einer Gleichbehandlung von Lebenspartnern mit Ehegatten verfassungsrechtlich nichts im Wege steht. In den Folgeurteilen hat es dann, wenn auch etwas verklausuliert, festgestellt, dass die Gleichbehandlung nicht nur erlaubt, sondern geboten sei. Das heißt in Konsequenz: Die Rechte und Pflichten der heterosexuellen, der schwulen und der lesbischen Paare werden weiter einander angeglichen werden - es sei denn, der Zeitgeist fällt zurück und das Verfassungsgericht macht eine derzeit nicht erkennbare Kehrtwendung.

So wie sich Bürger verändern, ändert sich auch die bürgerliche Ehe

Die volkstümliche Bezeichnung "Homo-Ehe" für die sogenannte Lebenspartnerschaft erfasst die rechtliche, auch die verfassungsrechtliche Situation besser als der Gesetzgeber. Das komplizierte Lebenspartnerschaftsgesetz kann man sich eigentlich sparen und es ersetzen durch die simple Formulierung, die sich der Bundestag nicht getraut hat, nämlich: Es ist alles wie bei der Ehe. Da sollte auch im Kindschaftsrecht so sein. Auch hier hat Karlsruhe nun einen Unterschied nivelliert. Ist das falsch? Es ist konsequent!

Aber es wäre gut, wenn der Gesetzgeber diese Konsequenzen zöge, und sie sich nicht vom höchsten Gericht Stück für Stück vorschreiben ließe. Mit der Gesetzgebung muss und wird nämlich die gesellschaftliche Debatte über die völlige Gleichstellung von Homo-Ehe und Ehe einhergehen; diese Debatte kann ein Gericht nicht ersetzen, auch das höchste nicht.

Gewiss: Wer in der Ehe eine nicht verfügbare, eine ewige Institution sieht, eine Einrichtung der göttlichen Weltordnung, der kann weder vom Gesetzgeber noch vom Verfassungsgericht eines Anderen oder Besseren belehrt werden. Es ist aber nicht das Ende der Institution Ehe, wenn die Homo-Ehe als bürgerliche Ehe anerkannt wird. So wie sich die Bürger verändern, so ändert sich auch die bürgerliche Ehe. Wichtig ist und bleibt, dass und wie Menschen als Partner Verantwortung füreinander übernehmen.

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