Abzug westlicher Truppen:Afghanen wollen für Sicherheit sorgen

Die Afghanen wollen es selber machen: In vier Jahren sollen kaum noch ausländische Soldaten im Land sein, sagt der Nationale Sicherheitsberater.

Tobias Matern, Kabul

Die afghanische Regierung will in vier Jahren in der Lage sein, selbst für Sicherheit im Land zu sorgen. Dann sollten "nicht mehr als ein paar tausend ausländische Soldaten" am Hindukusch stationiert sein, um die Ausbildung der einheimischen Sicherheitskräfte zu gewährleisten, sagte der Nationale Sicherheitsberater Afghanistans, Rangin Dadfar Spanta, der Süddeutschen Zeitung am Wochenende in Kabul. Der frühere Außenminister, der bis zum Sturz der Taliban mehr als 20 Jahre in Deutschland im Exil verbrachte, warnte vor einem übereilten Abzug der westlichen Truppen.

Abzug westlicher Truppen: Sollen bald ohne ausländische Hilfe für Sicherheit in ihrem Land sorgen: Soldaten der Afghanischen Nationalarmee (ANA) bei einer Zeremonie zum Abschluss ihrer Ausbildung.

Sollen bald ohne ausländische Hilfe für Sicherheit in ihrem Land sorgen: Soldaten der Afghanischen Nationalarmee (ANA) bei einer Zeremonie zum Abschluss ihrer Ausbildung.

(Foto: afp)

Spanta räumte vor der Internationalen Kabuler Konferenz an diesem Dienstag ein, dass die Sicherheitslage in manchen Landesteilen "schlimmer denn je" sei. Für die instabile Lage machte er vor allem das Nachbarland Pakistan verantwortlich, das den Extremisten "Finanzmittel, Ausbildungslager und logistische Unterstützung" bereitstelle. Afghanistan sei zudem noch immer ein schwacher Staat, die Korruption weit verbreitet. Das beschere den Taliban Zulauf.

Der Nationale Sicherheitsberater verteidigte Pläne der afghanischen Regierung, mit den Taliban zu verhandeln und Kämpfern, die bereit sind, die Waffen niederzulegen, finanzielle Angebote zur Re-Integration in die Gesellschaft zu machen. Die Mehrheit der Aufständischen sei nicht ideologisch motiviert, sondern habe sich den Taliban aus "Perspektivlosigkeit" angeschlossen, sagte Spanta.

"Konferenzen bringen uns nicht voran"

Etwa 80 Delegationen werden an dem Kabuler Treffen teilnehmen, das aus Sicht der afghanischen Regierung "historisch" ist, weil erstmals seit dem Sturz der Taliban auf afghanischem Boden in so großer Runde über die Zukunft Afghanistans gesprochen wird. Die Nato nennt die anstehende Konferenz, an der auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) teilnehmen will, ebenfalls einen "Meilenstein".

Unabhängige Beobachter und vor allem die Menschen in Afghanistan sind wesentlich skeptischer. "Konferenzen bringen uns nicht voran", sagte ein Mann in Kabul und ergänzte: "Sie machen unsere Stadt nur unsicherer." Ähnliche Sätze sind dieser Tage in Afghanistan häufig zu hören. Mehr als 13000 Sicherheitskräfte sollen den Schutz der Delegierten gewährleisten und Anschläge verhindern. Die sogenannte Friedens-Dschirga Anfang Juni hatten die Taliban mit Raketen beschossen. Sie lehnen bislang jedes Angebot der Regierung nach Verhandlungen ab.

Vor Beginn der Konferenz sprengte sich am Sonntag ein Selbstmordattentäter in Kabul in die Luft, er riss mindestens drei Menschen mit in den Tod. Die Nato gab am Wochenende zudem den Tod von drei Soldaten bekannt. Die Taliban befreiten nach offiziellen Angaben mindestens elf Häftlinge aus einem Gefängnis in der Provinz Farah. Die westliche Staatengemeinschaft steht in Afghanistan unter erheblichem Erfolgsdruck, die große Mehrheit der Menschen in Europa und den USA lehnt den Einsatz längst ab. Im Moment läuft die von US-Präsident Barack Obama angeordnete Truppenaufstockung. Die Zahl der ausländischen Soldaten wird auf 150000 ansteigen, bevor die Truppen vom Sommer 2011 an schrittweise abziehen sollen. Der Juni war mit 102 gefallenen Soldaten für die Nato der verlustreichste Monat seit Beginn des Krieges vor neun Jahren. Auch die Zahl getöteter Zivilisten ist auf einem Höchststand. (Seite 8)

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