Abzug Bediensteter aus US-Vertretungen in Russland:Das diplomatische Geschäft muss nicht unbedingt leiden

Abzug Bediensteter aus US-Vertretungen in Russland: Die US-Botschaft in Moskau - im Bild der ältere Gebäudekomplex - ist in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland gerückt.

Die US-Botschaft in Moskau - im Bild der ältere Gebäudekomplex - ist in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland gerückt.

(Foto: AFP)

Wenn die US-Botschaft Mitarbeiter reduzieren muss, trifft das nicht Top-Diplomaten oder Spione. Der Fall Moskau zeigt: Leidtragende werden wohl vor allem Russen sein.

Von Stefan Kornelius

In den russisch-amerikanischen Beziehungen ist es diesmal Moskau, das zum berechenbaren Akteur geworden ist. Keine 48 Stunden nach der Abstimmung über neue Sanktionen im US-Kongress kommt die Antwort von Präsident Wladimir Putin persönlich: Diese Sanktionen seien unberechtigt und unverhältnismäßig, Russland reagiere mit der Reduzierung des amerikanischen Botschaftspersonals um 755 Mitarbeiter.

Da hat also jemand seine Rechenaufgaben gemacht und nach allen Regeln der Diplomatie eine Antwort ausgetüftelt: Die Erwiderung aus Moskau datiert exakt nach dem Votum der Abgeordneten, aber vor der Unterzeichnung des neuen Sanktionsgesetzes durch den Präsidenten.

Die Botschaft: Den erzwungenen Personalabbau muss der Kongress verantworten, nicht der Präsident, mit dem man eigentlich Geschäfte abzuschließen hoffte. Botschaft Nummer zwei: Die Antwort hört sich spektakulär an, fällt aber vergleichsweise harmlos aus und wird kaum Amerikaner treffen. Die Leidtragenden dieser symbolischen Auseinandersetzung sind vermutlich vor allem Russen.

Der Abzug von Botschaftspersonal, die Ausweisung oder gar die Abberufung eines Botschafters gehören zum klassischen Instrumentarium, wenn sich Staaten die Meinung geigen wollen. Im russisch-amerikanischen Fall ist es ein bisschen komplizierter. Auch in Moskau wird man wissen, dass hier vor allem ein inneramerikanischer Kampf ausgetragen wird, dessen Anlass freilich die mutmaßliche russische Beeinflussung des Wahlkampfs war.

Kreml hat in kleinste Schublade des Arsenals gegriffen

Die Auseinandersetzung zwischen Kongress und Weißem Haus hat sich aber weiterentwickelt und eine außenpolitische Bedeutung gewonnen. Selbst die republikanische Mehrheit kann - mit Blick auf die Zwischenwahlen - nicht zulassen, dass die USA weich gegenüber Russland erscheinen. "Weak on Russia" ist ein Vorwurf, der seit dem Kalten Krieg bestens funktioniert.

Ein genauer Blick auf die russische Gegenstrafe zeigt, dass der Kreml in die kleinste Schublade des Arsenals gegriffen hat. Denn wirklich schmerzhaft sind die Forderungen nicht. Was sich spektakulär anhört, wird sich vor allem negativ auf die Betroffenen auswirken. Das diplomatische Geschäft muss deshalb nicht unbedingt leiden, so lange die USA nicht gezwungen werden, bestimmte Personen in Schlüsselfunktionen abzuziehen.

Einhundert bis zweihundert Personen zählen zum politischen Kern

2013 hat die Innenrevision des US-Außenministeriums eine punktgenaue Analyse des US-Botschaftspersonals in Russland unternommen, der man halbwegs verlässliche Zahlen entnehmen kann. Demnach weiß man von damals 1279 Botschaftsmitarbeitern (verteilt auf die Botschaft in Moskau und die Konsulate in Sankt Petersburg, Jekaterinburg und Wladiwostok).

Von 1200 Mitarbeitern ist die Nationalität verbürgt: 333 waren amerikanische Staatsbürger, 867 Nicht-Amerikaner, mutmaßlich also vor allem Russen. 35 unterschiedliche Regierungsbehörden der USA haben dieses Personal angeheuert, vom Verteidigungsministerium bis hin zur Nasa oder der Kongressbibliothek.

Auch wenn der Bericht darüber keine exakte Auskunft gibt, so schält sich heraus, dass zum politischen Kern des diplomatischen Betriebs nicht mehr als einhundert bis zweihundert Personen zählen. Die große Mehrheit der Angestellten, ob nun aus den USA entsandt oder in Russland als sogenannte Ortskräfte angeworben, wird von einer ressortübergreifenden Personalbehörde aus Washington geführt: 652 der 1279 Mitarbeiter.

Abzug der Helfer schadet auch Russland

Über diese Gruppe ist am meisten bekannt. Es handelt sich um Fahrer, Hausmeister, Bürohilfen, Techniker, Rezeptionisten, Kassenverwalter, Personalabwickler, kurzum: Helfer in einer großen Bürokratie - aber ohne Zugang zu sensiblen Informationen im Geschäft von Politik, Wirtschaft oder Militär.

Der Abzug dieser Helfer lähmt den Betrieb, schadet aber auch Russland. Denn in der Regel ist es der aufwendige Visums-Betrieb, der Personal bindet. Schon jetzt beträgt die Wartezeit auf ein Besuchsvisum für die USA bis zu zwei Wochen. Diese Zeitspanne könnte sich verlängern, zumal der Personalabbau zur Verkleinerung der Konsulate führen kann, die in der Regel vor allem Visa erteilen.

Was die Personalzahl über die Größe des Spionagebetriebs an einer Botschaft aussagt, ist nicht bekannt. Neben offiziellen Geheimdienst-Vertretern tummeln sich an Auslandsvertretungen in der Regel noch zusätzliche Spione, vielleicht getarnt als Archivbeamter. Ihr Dasein wird von der Massenentlassung mutmaßlich nicht berührt, es sei denn, Russland beharrt auf der Ausweisung bestimmter Personen.

Zunächst aber geht es Putin um Parität: Verbleiben sollen etwa 450 Mitarbeiter auf beiden Seiten. Und ein paar beschlagnahmte Immobilien, unter anderem eine Grill-Datscha vor den Toren Moskaus.

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