Abu Ghraib:US-Armee gibt erstmals öffentlich Folter zu

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In einem Bericht über die Rolle von Geheimdiensten im Bagdader Gefängnis räumt das Verteidigungsministerium ein, dass irakische Gefangene vor dem Roten Kreuz versteckt und in einigen Fällen gefoltert wurden. Beteiligt waren 23 Geheimdienstmitarbeiter und vier private Verhörspezialisten.

Die US-Armee hat erstmals öffentlich die Folter von irakischen Häftlingen im Militärgefängnis von Abu Ghraib bei Bagdad zugegeben. Zugleich wird in zwei Pentagon-Berichten der politischen und militärischen Führung der USA Mitverantwortung und Begünstigung für den Misshandlungsskandal zugeschrieben. In beiden Armeeberichten wird jedoch kein Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als Konsequenz aus den 300 bekannt gewordenen Misshandlungsfällen in Abu Ghraib gefordert.

Gequält und gedemütigt: Gefangener in Abu Ghraib. (Foto: Foto: AP)

"Geister-Gefangener" getötet

Bei der Vorlage des Berichts über die Rolle von Geheimdiensten in der umstrittenen Haftanstalt von Abu Ghraib räumte US-General George Fay erstmals einige wenige Fälle von Folter ein. Außerdem gab die US-Armee zu, dass insgesamt acht irakische Häftlinge als so genannte Geister-Gefangene vor dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) versteckt worden seien.

Einer der acht Männer sei an den Folgen von Misshandlungen gestorben. Als Konsequenz habe der US-Geheimdienst CIA ebenfalls eine Untersuchung eingeleitet, sagte Fay.

Nach den Worten von General Paul Kern stehen 23 Geheimdienstmitarbeiter sowie vier Verhörspezialisten von Privatfirmen in Zusammenhang mit insgesamt 44 Misshandlungsfällen. Als Beispiele für Misshandlungen nannte Kern unter anderem Stress hervorrufende Körperhaltungen.

In anderen Fällen seien Häftlinge nackt den heißen Sommer- oder kalten Wintertemperaturen ausgesetzt worden. Außerdem hätten zwei Hundeführer jugendliche Häftlinge so mit ihren Hunden bedroht, bis sie sich vor Angst in die Hosen gemacht hätten.

"Ehemalige Oberbefehlshaber im Irak verantwortlich"

Nach den Worten von Kern hat die Mehrheit der US-Soldaten seinen Dienst ehrenhaft abgeleistet. Bei den Restlichen handelt es sich um einzelne Fälle von Mangel an Disziplin sowie Mangel an Führung. Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irak, General Ricardo Sanchez, sei für die Dinge verantwortlich, die geschehen oder nicht geschehen seien.

Bereits in dem Schlesinger-Bericht heißt es, dass das Fehlen von Plänen für die Besatzungszeit und die Behandlung von Gefangenen, der eklatante Mangel an Personal und Mitteln sowie die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht eine Atmosphäre des Chaos ermöglicht hätten.

"Es gibt eine institutionelle und persönliche Verantwortung der gesamten Befehlskette hinauf bis nach Washington", sagte Schlesinger.

Anklagepunkte fallen gelassen

Der Untersuchungsbericht über die Rolle der Geheimdienste kommt zu dem Schluss, dass es nur in wenigen Fällen heimliche Absprachen zwischen Wachpersonal und Spezialisten gegeben habe, irakische Gefangene vor Verhören "weich zu klopfen". Das sei aber keine Generallinie gewesen. Einige Ermittler hätten Druck verspürt, bei den Verhören Informationen zu produzieren, heißt es weiter.

Dagegen berufen sich einige der sieben angeklagten US-Wachsoldaten von Abu Ghraib darauf, dass sie auf Anweisung von Geheimdienstmitarbeitern gehandelt hätten.

Im Mannheimer Vorverfahren gegen vier der sieben US-Wachsoldaten ließ der Richter Oberst James Pohl am Mittwoch drei Anklagepunkte gegen eine beschuldigte Soldatin fallen. Feldwebel Megan Ambuhl muss sich unter anderem nicht mehr für Verschwörung verantworten. In zwei von drei Fällen wurde auch der Vorwurf der Misshandlung fallen gelassen. Im Falle einer Verurteilung kann die ehemalige Wachsoldatin nun mit einer wesentlich geringeren Haftstrafe rechnen.

Entführung: Italien eventuell zu Truppen-Rückzug bereit

Derweil signalisierte die italienische Regierung erstmals ihre bedingte Bereitschaft zum Rückzug ihrer Truppen aus dem Irak. Die italienischen Truppen könnten innerhalb kürzester Zeit das Land verlassen, wenn die Übergangsregierung in Bagdad dies verlange, sagte der italienische Außenminister Franco Frattini.

Italien respektiere alle Entscheidungen, die die Regierung des irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi treffe. Die militante Gruppe "Islamische Armee im Irak" droht damit, sie könne nicht mehr für die Sicherheit des von ihr entführten italienischen Journalisten Enzo Baldoni garantieren, wenn Italien nicht seine Truppen aus dem Irak abziehe. Ein Ultimatum der Gruppe läuft heute ab.

Im Irak sind etwa 3000 italienische Soldaten und Carabinieri stationiert. Bisher hatte die italienische Regierung es abgelehnt, auf das Ultimatum einzugehen.

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