Süddeutsche Zeitung

Abu Dhabi:Worum es im Streit der Golfstaaten mit Katar geht

  • Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten haben einen Katalog mit 13 Forderungen an Katar geschickt.
  • Sie verlangen unter anderem, dass das Emirat den Fernsehsender Al Jazeera schließt und aufhört, Terroristen zu unterstützen.
  • Als terroristische Gruppe sehen sie auch die Muslimbruderschaft an - viele westliche Staaten schätzen das anders ein.
  • Außenminister Gabriel deutet bei einem Besuch in Katar an, bereits die Bereitschaft zum Gespräch wäre ein Fortschritt.

Von Stefan Braun, Doha, und Paul-Anton Krüger, Abu Dhabi

Gespräche und die Suche nach Ausgleich - oder mehr Konfrontation mit Katar: Diese Frage werden die Außenminister von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten nach ihrem Treffen in Kairo beantworten müssen.

Sie haben eine Antwort aus Doha auf ihren 13 Punkte umfassenden Forderungskatalog erhalten, das bestätigten die vier Länder, die ein Embargo gegen das kleine Golfemirat verhängt haben, am Morgen in einer gemeinsamen Erklärung. Westliche Diplomaten, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel eingeschlossen, rechnen jedoch noch nicht mit einer Lösung der Krise. "Aber ich bin sicher, dass bei gutem Willen Möglichkeiten existieren, um jedenfalls in ein Gespräch einzutreten, um die strittigen Punkte zu klären", sagte Gabriel in Doha nach seinem Treffen mit dem katarischen Außenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani.

Al-Thani gab sich durchaus kämpferisch: Es reiche jetzt mit den Versuchen, den Staat Katar zu zerstören und seine Souveränität in Frage zu stellen. Es sei auch genug damit, dass unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung die freie Rede bekämpft werde. Damit spielt er auf den Fernsehsender Al Jazeera an, dessen Schließung die anderen Staaten fordern. Und es ist ein Verweis auf Katars eigenständige Außenpolitik, die unter anderem ein pragmatisches Verhältnis mit Iran beinhaltet und die Militärkooperation mit der Türkei auch auf katarischem Boden.

Der wichtigste Streitpunkt: Unterstützung von Terroristen

Die Details der Antwort aus Katar sind bislang nicht bekannt. Diplomaten werteten das als gutes Zeichen: Offenbar gebe es zumindest die Bereitschaft, sich ernsthaft mit den Forderungen auseinanderzusetzen. Auch ist mindestens in groben Umrissen erkennbar, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könnte. Der Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten der Vereinigten Arabischen Emirate, Anwar Gargash, sagte der Süddeutschen Zeitung, die zentrale Frage sei, ob das katarische Regime sich als Teil einer Gruppe identifiziere, eines Kollektivs von Staaten, denen es um Stabilität in der Region geht. Gemeint ist der Golfkooperationsrat, ein Zusammenschluss der sechs arabischen Golfstaaten, dem auch Oman angehört und Kuwait, das als Vermittler fungiert. Ein großer Teil der Instabilität in der arabischen Welt rühre "von der Unterstützung für Terroristen und Extremisten" - Gargash nennt Libyen und Jemen, Terrorangriffe in Ägypten, aber auch die angebliche Unterstützung dschihadistischer Gruppen in Syrien. "Wenn es diesen Kurswechsel gibt, ergibt sich alles andere", stellt er in Aussicht.

Der Kern der Forderungen liegt also zumindest für Abu Dhabi im Bereich Terrorunterstützung. Dort sehen auch Gabriel, der heute noch Kuwait besucht, und sein amerikanischer Kollege Rex Tillerson Ansatzpunkte. Sie reden beide der von den Amerikanern aufgebrachten Idee das Wort, ein Abkommen der Golfstaaten zur Bekämpfung von Terrorfinanzierung und Unterstützung auszuarbeiten - entsprechende Überprüfungsmechanismen inklusive. Dem würden sich auch die V.A.E. unterwerfen, sagt Gargash - sie sind aber neben Oman ohnehin der einzige der Golfstaaten, bei dem westliche Geheimdienste nicht mindestens Hinweise dafür sehen, dass Privatpersonen an extremistische Organisationen spenden.

Diesem Druck wird sich Katar kaum entziehen können, das ließ sich auch aus den Äußerungen von Außenminister al-Thani herauslesen. Katar habe sich verpflichtet, alle internationalen Vereinbarungen zu erfüllen, sagte er. Man habe viele Schritte unternommen, um den Terrorismus zu bekämpfen. "Wir lassen uns gerne auch beraten von Ländern, die Erfahrungen im Anti-Terror-Kampf haben", fügte er hinzu. Die Amerikaner etwa haben ausgeklügelte Maßnahmen entwickelt, um finanzielle Transaktionen zu Gunsten von Terrorvereinigungen zu unterbinden.

Wenn die Zugeständnisse Katars in diesem Bereich als ausreichend betrachtet werden, erscheinen Lösungen für die anderen Probleme zumindest aus der Sicht Abu Dhabis möglich. Kuwait habe seine Außenpolitik, vor allem was Iran und Irak angehe, und Oman habe seine eigene Außenpolitik, auch gegenüber Iran. "Nie gab es deswegen eine Krise", sagte Gargash der SZ.

Aber der Fall Katar liege anders: Man habe es mit einem Land zu tun, das intensiv dschihadistische Gruppen unterstütze. "Im Golfkooperationsrat wird ein großes Maß an Souveränität und Eigenständigkeit praktiziert, aber das gemeinsame Interesse an Stabilität ist ebenfalls ein Kernelement." Katar wolle zwar den ersten Teil in Anspruch nehmen, aber sich nicht an den zweiten halten, sondern Organisationen von der Muslimbruderschaft über die Hamas bis zur Nusra-Front in Syrien und Organisationen in Libyen zu unterstützen, die mit al-Qaida verbunden sind.

Ist die Muslimbruderschaft eine terroristische Gruppe?

Während Katar - nicht immer restlos überzeugend - jede Unterstützung von Gruppen bestreitet, die von den Vereinten Nationen als terroristisch gelistet sind, dürfte der Konflikt um Dohas Beziehungen zur Muslimbruderschaft am schwierigsten zu lösen sein. In Abu Dhabi gilt sie als Terrororganisation, ebenso in Saudi-Arabien, auch wenn Riad etwa mit der jemenitischen Filiale, der Islah-Partei, weiter Kontakte hat. Katar unterstützt in Libyen mit der Bruderschaft verbundene Gruppen, während die V.A.E. und Ägypten deren Gegnern im Kampf um die Macht in dem ölreichen nordafrikanischen Land mit Geld und auch militärischer Ausrüstung und Waffen unter die Arme greifen.

Auch hat Katar sich nie von der ägyptischen Muslimbruderschaft abgewandt, die im Sommer 2013 vom Militär in Kairo von der Macht vertrieben worden war - nachdem sie die ersten demokratischen Wahlen in dem Land überdeutlich gewonnen hatte. Die Bruderschaft ist weder in Deutschland noch in der EU oder in den USA als Terrorvereinigung eingestuft, auch wenn es im US-Kongress solche Bestrebungen gibt, befeuert durch entsprechende Lobby-Arbeit Ägyptens und der V.A.E. Selbst US-Außenminister Tillerson warnt vor einer pauschalen Einstufung. Der tunesische Ableger etwa, die Ennahda-Partei, ist in Tunis an der Regierung beteiligt und gilt als Partner, mit dem man reden kann.

Westliche Geheimdienste bescheinigen der Muslimbruderschaft in Ägypten, ein politisches Klima zu schaffen, in dem Gewalt als Mittel in der politischen Auseinandersetzung als legitim erscheint. Auch gibt es mehrere Gruppen, die aus der Jugend der Bruderschaft hervorgegangen sind und Polizisten sowie andere Repräsentanten des Staates attackieren. Zugleich heißt es bei den Diensten aber, es gebe keine Belege dafür, dass die Muslimbruderschaft und ihre im Exil lebenden Führer selbst Terrorattacken organisieren oder unterstützen - geschweige denn, dass sie mit der Terrormiliz Islamischer Staat kooperieren.

Das ist der Graubereich, in dem es schwierig werden wird, die Positionen vor allem der Vereinigten Arabischen Emirate und Ägyptens mit denen Katars in Einklang zu bringen - das betrifft auch die Rolle von Al Jazeera. Kairo und Abu Dhabi sehen den Sender als Sprachrohr der Muslimbruderschaft und Medium der Aufwiegelung. Katar hat ausgeschlossen, ihn zuzumachen. Auch das ist eine Forderung, die westliche Staaten kaum mittragen können. Es wird also auch nach dem Treffen in Kairo großen Gesprächsbedarf geben - wenn die Außenminister mindestens wieder bereit sind, sich mit Katar an einen Tisch zu setzen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3574306
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/ewid
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.