Abtreibungsreform in Argentinien:Grüne Welle

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Gegner wie Befürworter des für Argentinien geplanten Abtreibungsgesetzes demonstrierten zuletzt - nun hat das Parlament die Vorlage verabschiedet. (Foto: Tomas Cuesta/Getty Images)

In Argentinien hat sich eine neue Frauenbewegung entwickelt, die auf die ganze Region ausstrahlt. Ihrem Kernziel, dem Recht auf Abtreibung, ist sie nun einen großen Schritt nähergekommen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Am Ende war es früher Morgen, als die Entscheidung fiel. Fast 20 Stunden hatten die Abgeordneten im argentinischen Parlament da schon debattiert und gestritten. Es ging um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Schreie hatte es gegeben, Anschuldigungen, sogar Drohungen. Kurz vor acht Uhr morgens dann der Durchbruch: 131 Abgeordnete stimmten für den Gesetzesentwurf, 117 dagegen. Draußen vor dem Kongressgebäude brach Jubel aus.

Schon am Vortag hatten sich hier Tausende Befürworter versammelt, meist junge Frauen. Manche hatten sich die Gesichter mit grünem Glitzer geschminkt und viele um Hals, Arm oder Rucksackträger ein grünes Halstuch gebunden. Längst ist es zu einem Symbol geworden, nicht nur für das Recht auf Abtreibung, sondern auch für den Kampf um Gleichberechtigung und gegen Gewalt gegen Frauen. Von einer "marea verde" ist darum die Rede, einer grünen Welle, die auch andere Länder der Region erfasst hat. Überall in Lateinamerika tragen junge Frauen heute das grüne Halstuch, in Mexiko-Stadt genauso wie in Medellín, in Bogotá ebenso wie natürlich in Buenos Aires. "Que sea ley", stand dort am Donnerstag auf Fahnen und Transparenten: Wir brauchen ein Gesetz.

Schon in der Vergangenheit hatte es in Argentinien immer wieder Versuche gegeben, das bislang strenge Abtreibungsverbot zu reformieren. 2018 scheiterte der letzte Anlauf am damals konservativ dominierten Senat. Nun aber stammt der Vorschlag vom links-peronistischen Präsidenten Alberto Fernández, der damit ein Wahlkampfversprechen einlöst. Die Abstimmung im Kongress galt dabei als erste größte Hürde und so könnte Argentinien bald eines der fortschrittlichsten Abtreibungsgesetze der ganzen Region bekommen.

Das grüne Tuch als Symbol: Argentiniens Frauen haben den Anstoß für eine neue Frauenbewegung in ganz Lateinamerika gegeben. (Foto: AGUSTIN MARCARIAN/REUTERS)

Noch immer ist Lateinamerika in weiten Teilen katholisch geprägt. Von einigen Ausnahmen wie Kuba oder Uruguay abgesehen, gilt in den allermeisten Ländern ein strenges Abtreibungsrecht; in El Salvador, Honduras und Nicaragua sind Schwangerschaftsabbrüche sogar ausnahmslos verboten.

Auch in Argentinien darf ein Eingriff bislang nur dann straffrei vorgenommen werden, wenn eine Vergewaltigung vorliegt oder das Leben der Mutter in Gefahr ist. Immer wieder müssen Frauen für Jahre ins Gefängnis, weil Ärzte ihnen nicht glauben, dass ihre Schwangerschaftsabbrüche auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind. Nach verpfuschten illegalen Abtreibungen kommen Zehntausende Argentinierinnen jedes Jahr in öffentliche Krankenhäuser, manchmal aber ist jede Hilfe zu spät, 65 Frauen starben allein zwischen 2016 und 2018.

Die Reform in der Heimat des Papstes könnte Leuchtturmcharakter für die Region haben

Der nun verhandelte Gesetzesentwurf sieht vor, dass Schwangere in den ersten 14 Wochen legal abtreiben dürfe, sicher und kostenlos im öffentlichen Gesundheitswesen. Eine solche Reform, noch dazu in der Heimat des Papstes, könnte Leuchtturmcharakter haben für die ganze Region, hoffen Befürworter. Auch in Brasilien, Kolumbien oder Chile gibt es längst starke feministische Bewegungen, die nicht nur gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straße gehen, sondern auch für ein Recht auf Abtreibung.

Gleichzeitig weiß aber auch die andere Seite, was auf dem Spiel steht. Und so haben sich am Tag der Abstimmung nicht nur die Befürworter einer Gesetzesreform auf dem Platz vor dem argentinischen Kongress versammelt, sondern auch deren Gegner. Statt grüner Halstücher gab es hier hellblaue, dazu noch Rosenkränze und eine Freiluftmesse, bei der Gläubige auf Knien vor einem großen Kreuz und einem Pappmaschee-Fötus beteten.

Man gebe nicht auf, erklärte man auf der Seite der Gegner nach der Abstimmung im Kongress. Denn der Gesetzesentwurf muss nun im Senat verhandelt werden. Anders als beim letzten Vorstoß 2018 hat hier nun aber die linksperonistische Partei die Mehrheit. Ihre Mitglieder sind zumeist für eine Reform des Abtreibungsrechts. Noch vor Jahresende sollen sie über den Gesetzesentwurf entscheiden.

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