Abtreibung:Paraguay am Pranger

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Ein zehn Jahre altes Mädchen darf nicht abtreiben, obwohl es Opfer einer Vergewaltigung ist. Nun ist eine heftige Diskussion in dem südamerikanischen Land entbrannt. Doch es geht bei weitem nicht nur um Paraguay.

Von Boris Herrmann, São Paulo

Sie ist zehn Jahre alt, 1,39 Meter groß und wiegt inzwischen 40 Kilogramm - weil sie im fünften Monat schwanger ist. Mutmaßlich wurde sie von ihrem Stiefvater vergewaltigt, der in Untersuchungshaft sitzt, genau wie die Mutter, der Komplizenschaft vorgeworfen wird. Das Mädchen wird ärztlich betreut, abtreiben darf es aber nicht. Weil es in Paraguay lebt. Dort sind Schwangerschaftsabbrüche nur erlaubt, wenn die Mutter in Lebensgefahr schwebt. Es gibt keine Ausnahmen, weder für Minderjährige noch für Vergewaltigungsopfer. "Es wird nicht abgebrochen. Das Mädchen hat keine Schmerzen und ist in guter Verfassung", sagte Antonio Barros. Damit sei die Debatte beendet. Der Mann ist Paraguays Gesundheitsminister.

Die Debatte kam dadurch aber erst so richtig in Gang. Der Fall schlägt ungewöhnlich hohe Wellen in dem südamerikanischen Land. Auch die katholische Kirche diskutiert mit, auch sie ist gegen Abtreibung. "Einige wollen den Mord an einem Unschuldigen legalisieren, der noch am Heranwachsen ist", wetterte Bischof Claudio Giménez, einer der höchsten Kirchenvertreter des Landes.

Internationale Menschenrechtsorganisationen fordern dagegen nachdrücklich, den Schutz des schwangeren Mädchens in der Vordergrund zu stellen. Laut einem UN-Bericht hat Paraguay die Rechte eines zehnjährigen Vergewaltigungsopfers "gravierend verletzt". Und nicht zum ersten Mal. In jenem Krankenhaus in der Hauptstadt Asunción, in dem das Mädchen betreut wird, warten noch fünf weitere Minderjährige auf die Entbindung. Das Kinderhilfswerk Unicef teilte mit, in Paraguay brächten täglich zwei Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren ein Kind zu Welt.

Paraguays Regierung wehrt sich gegen die Einmischung in seine "internen Angelegenheiten". Das kennt man aus Lateinamerika. Auch in El Salvador, Nicaragua, Honduras, Surinam, Haiti sowie in der Dominikanischen Republik gelten absolute Abtreibungsverbote. Frauen, die es heimlich versuchen, drohen in einigen dieser Länder mehrjährige Haftstrafen. In Chile erregte vor zwei Jahren der Fall der elfjährigen Belén Aufsehen. Auch sie wurde vergewaltigt und durfte aufgrund eines anachronistischen Gesetzes nicht abtreiben. Chiles Präsidentin Michelle Bachelet hat erst jüngst die Initiative ergriffen, um dieses Relikt aus der Ära des Diktators Augusto Pinochet abzuschaffen.

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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