CDU gegen Embyro-Gentests:Die bewegte Seele der Union

Die CDU geht auf ihrem Parteitag an die Grenzen: Nach langer Diskussion setzen sich die Gegner der Gentests an Embryos knapp durch. Die Debatte zu führen, war mutig - sie zeigte tiefe Gräben zwischen den Flügeln der Union.

Stefan Braun

Am Ende gibt es ein sehr knappes Ergebnis, und das passt gut zur Debatte. Als Stefan Mappus das Votum zur Präimplantationsdiagnostik bekanntgibt, ist es mucksmäuschenstill in der Karlsruher Messehalle. Die Unterstützer eines strikten Nein gewinnen mit 408 Stimmen, für ein Ja in engen Grenzen votieren 391 Delegierte. Die Gewinner freuen sich, auch Angela Merkel klatscht Beifall. Die Mehrheit der Mehrheit fällt gleichwohl so knapp aus, dass niemand als großer Sieger vom Platz geht. Manchmal kann das scharfe Konflikte schüren, hier hat es eher eine befriedende Wirkung.

CDU votiert knapp fuer PID-Verbot

Das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik trifft bei vielen Unions-Mitglieder auf Skepsis - und doch stimmt der Parteitag nach bewegter Debatte für eine Zulassung.

(Foto: dapd)

Davor allerdings haben Deutschlands Christdemokraten gezeigt, dass sie bei schwierigen Debatten auch vor Unfällen nicht gefeit sind. Gleich zweimal nämlich wäre der CDU die Debatte beinahe aus dem Ruder gelaufen. Und daran beteiligt waren ausgerechnet zwei der derzeit wichtigsten Christdemokraten: Angela Merkel und Stefan Mappus.

Zunächst gerät die Parteichefin selbst in den Verdacht, ihre Delegierten überrollen zu wollen. Als am Montagabend absehbar ist, dass die Zeit knapp werden könnte, schlägt sie vor, die Debatte um die PID auf Dienstag früh zu verschieben. Dabei aber sagt die CDU-Vorsitzende nicht nur, dass es den Vorschlag gebe, sondern sie erklärt, dass das nun "auch so entschieden ist". Da mag die Kanzlerin stabil wiedergewählt worden sein - jetzt erntet sie Protest. Erst eine Abstimmung schafft Klarheit.

Die bewegte Seele der Partei

Am Dienstag erwischt es Stefan Mappus. Nach zweieinhalb Stunden Diskussion fragt er den Parteitag, ob nicht alle Argumente genannt seien, man sich also die restlichen Wortmeldungen sparen könne. Das ist höflich gedacht, er will Zeit für den Gastredner Horst Seehofer gewinnen. Trotzdem erntet er Widerstand, vorneweg von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Der wehrt sich, weil er sich bewusst fürs letzte Drittel gemeldet hatte. Und wieder zeigen die Delegierten, wie wichtig ihnen in diesem Fall die Suche nach einer Antwort ist.

So gesehen hat Bundestagspräsident Norbert Lammert zunächst einmal recht, als er nach deutlich mehr als drei Stunden Rede und Gegenrede festhält, dass die Debatte vom Dienstag nicht nur "an die Seele der Partei" rühre. Darüber hinaus hätten die gut tausend Christdemokraten eine Debatte gezeigt, wie sie ihr kaum eine andere Partei so nachmachen würde. Nun ist Selbstlob selbst auf einem Parteitag peinlich, trotzdem treffen Lammerts Worte die Stimmung.

"Wir machen eine Tür auf und wissen nicht, was danach kommt"

Und das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass in der Frage die Trennlinie quer durch die Partei und ihre Führung läuft. Bei der schwierigen Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob die CDU jene Diagnostik vor dem Einsetzen des Embryos bei der künstlichen Befruchtung verbieten soll, stehen Angela Merkel, Generalsekretär Hermann Gröhe und zahlreiche andere für ein striktes Nein. Ebenso prominente Vertreter wie Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble oder Peter Hintze plädieren für ein Ja in engen Grenzen. So was kann für eine Partei gefährlich werden, es führt deshalb oft zu einer Vertagung. In Karlsruhe ist beides ausgeblieben.

Zu den Unterlegenen gehört Katherina Reiche, die Umweltstaatssekretärin. Sie beschreibt, wie später auch Peter Hintze und Ursula von der Leyen, wie groß das Leid sei, wenn ein Paar ein Kind verliere, sei es durch eine Fehlgeburt, oder wenn das Kind tot geboren werde oder nach wenigen Jahren sterbe. Genau deshalb sei es falsch zu glauben, irgendein Paar würde es sich bei der Frage einfach machen. "Wir möchten nicht über Tod oder Leben entscheiden, wir möchten Eltern in schweren Gewissensentscheidungen helfen."

Gebot der humanitären Vernunft

Gemeint sind vor allem Paare, die schwere Erbdefekte beim Kind befürchten müssen. Ähnlich argumentiert Peter Hintze. Er ergänzt nur zwei Aspekte. Zum einen mag er wie alle Befürworter eines eng begrenzten Ja nicht verstehen, dass man vor der Einsetzung des Embryos alles verbietet, was man im Mutterleib längst gestattet. "Es ist ein Gebot der humanitären Vernunft", diesen Unterschied aufzuheben. Hintzes letzter Satz richtet sich gegen alle, die vor Designerbabys warnen: "Wer glaubt, die Sehnsucht nach blauen Augen treibe die Eltern an, der geht an der Lebenswirklichkeit total vorbei."

Für die Gewinner dagegen spielt der mögliche Dammbruch die größte Rolle. So argumentiert Fraktionschef Volker Kauder, bei den Schwangerschaftsabbrüchen hätten die Befürworter einst auch argumentiert, es gehe dabei nur um ganz wenige Fälle, heute sei das ganz anders. Deshalb dürfe man sich bei der Frage der PID keine Illusionen machen. "Wir machen eine Tür auf und wissen nicht, was danach kommt." Noch schärfer argumentiert der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Wenn er könnte, wie er wollte, würde er wahrscheinlich auch das Abtreibungsrecht wieder verschärfen. "Nur weil wir an einer Stelle den Rubikon überschritten haben, sollten wir es an anderer Stelle nicht auch noch zulassen." Nur wenige freilich sind in Karlsruhe derart kompromisslos aufgetreten.

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