Abstimmung zu Obamacare:Auch Machtpolitiker gegen Trump

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Es stecken auch machtpolitische Gründe hinter manchem Nein. "Wenn wir dem zustimmen, verlieren wir unsere Mehrheit", glaubt der konservative Abgeordnete Mo Brooks aus Alabama. Im Herbst 2018 stehen die Halbzeitwahlen an. Dann werden ein Drittel der US-Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Aus der republikanischen Mehrheit in beiden Kammern könnte dann schnell eine demokratische Mehrheit werden.

Was wollen die moderaten Republikaner?

Die sehen es als positiv an, dass unter Obamacare 20 Millionen zuvor unversicherte Amerikanerinnen und Amerikaner in den Schutz einer Krankenversicherung gekommen sind. Viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Dieser Erfolg ist jetzt gefährdet. Ein unabhängiger Kongress-Bericht hat kürzlich ergeben, dass mit dem neuen Gesetz der Republikaner bis 2026 zwar 337 Milliarden US-Dollar Bundeshilfe gespart werden können. Aber auch, dass die Zahl der US-Amerikaner, die keine Krankenversicherung haben, bis dahin um 24 Millionen Menschen steigen dürfte.

Das ist manchen moderaten Republikanern zu viel. Sie dürften auch noch Trumps Versprechen im Ohr haben, dass mit dem neuen Gesetz niemand seine Krankenversicherung verlieren werde. Die moderaten Gegner des neuen Gesetzes wollen deshalb höhere staatliche Hilfen für Menschen mit geringem Einkommen und zusätzliche Steuererleichterungen, damit mehr Geld für die Krankenversicherung da ist.

Und: Sie wollen, dass die geplanten Kürzungen für das staatliche Krankenversicherungssystem Medicaid für Bedürftige erst ab 2020 greifen. Nicht schon 2018, wie es Trump möchte.

Was der moderate Abgeordnete Dan Donovan über Obamacare sagt, dürfte für einige seiner Kollegen gelten: "Mein Ziel ist es, denen zu helfen, denen das Gesetz geschadet hat. Nicht denen zu schaden, denen es geholfen hat."

So viele Gegner, wie will Trump einer Niederlage entgehen?

Den Großteil der Arbeit macht der Chef der Republikaner im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, für Donald Trump. Auch in den allerletzten Stunden vor der geplanten Abstimmung an diesem Donnerstag. Es kann sich also noch einiges ändern. Auch 29 scheinbar sichere Nein-Stimmen bedeuten nicht, dass es am Ende dabei bleibt. Erstaunlich ist dennoch, dass nach wochenlanger Bearbeitung immer noch so viele Republikaner stramm zu ihrem Nein stehen.

Das Weiße Haus setzt bisher einfach alles auf Donnerstag. Das sei der Tag aller Tage, die einmalige Chance, an dem die Republikaner Obamacare abschaffen und ersetzen können. So wie sie es fordern, seitdem an diesem Donnerstag vor exakt sieben Jahren Barack Obama seine Unterschrift unter die Gesundheitsreform gesetzt hat. Einen anderen Tag werde es nicht geben, sagte Trumps Sprecher Sean Spicer am Mittwoch. "Wir haben keinen Pan B. Wir haben Plan A. Und wir werden es hinbekommen."

Trump selbst hatte am Dienstag versucht, die Wackelkandidaten zu überzeugen. Auch mit Drohungen. "Ich werde hinter dir her sein", wenn er nicht zustimme, sagte Trump dem Abgeordneten Mark Meadows. "Eine Niederlage ist nicht akzeptabel, Leute."

Was, wenn Trump scheitert?

Das ist reine Spekulation. Die Republikaner könnten die Abstimmung verschieben, wenn klar ist, dass es keine Mehrheit geben wird. Schon das wäre ein heftiger Rückschlag für Trump. Bisher deutet aber nichts darauf hin, dass eine Verschiebung in Frage kommt. Trump scheint es wohl darauf ankommen lassen zu wollen.

Wenn das Gesetz dann nicht durchkommt, wäre das eine heftige Niederlage. Trump wird danach wohl versuchen, die Neinsager zu diskreditieren, wo es nur geht. Die Verantwortung für die Niederlage soll nicht an ihm hängenbleiben.

An dem Gesetz hängt auch, ob Trump sein Versprechen einlösen kann, die Steuern massiv zu senken. Erst das gesparte Geld aus der Gesundheitsreform würde für dieses Unterfangen die Freiräume schaffen.

Freuen können sich alle, die derzeit dank Obamacare versichert sind. Sie werden es dann erst mal auch bleiben können.

Gibt es denn Unterstützer außerhalb des Parlamentes?

Je mehr Trump-Wählern klar wird, dass ihnen bald die Krankenversicherung ganz genommen werden könnte, desto mehr Skepsis macht sich breit. In den Umfragen sinkt die Zustimmung für Trump - auch wegen Trumpcare. Vergangenen Samstag hatte er in einer Gallup-Umfrage mit 37 Prozent einen neuen Tiefststand erreicht. Aktuell kommt er auf 40 Prozent Zustimmung im Land. Für einen US-Präsidenten sind das eher bescheidene Werte.

Ärzte, die Versicherungswirtschaft, Apotheker - sie alle lehnen sich gegen Trumps Krankenversicherungspläne auf. Auf seiner Seite sind vor allem Abtreibungsgegner und Ultrareligiöse. Grund: Die staatlichen Zuschüsse für legale Abtreibungen würden zusammengestrichen, wenn das Gesetz durchkommt.

Wenn das Gesetz doch eine Mehrheit bekommt, gilt es dann sofort?

Nein. Es muss erst noch den Senat passieren. Und auch da steht Trump vor großen Schwierigkeiten. Viele republikanische Senatoren kommen aus Staaten, in denen große potenzielle Wählergruppen von Obamacare profitieren.

Diese Senatoren lassen sich in ihrer Entscheidung weniger von Trump als vielmehr von den Gouverneuren und den gesellschaftlichen Gruppen in der Heimat beeinflussen. Wenn, dann dürfte das Gesetz den Senat nur mit umfangreichen Änderungen wieder verlassen.

Profitieren könnten am Ende die Demokraten. Ein umstrittenes Gesetz, dass die Krankenversicherung von 24 Millionen Menschen bedroht, könnte frischen Wind unter die gestutzten Flügel der Partei bringen.

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