Abstimmung über Sparpaket in Griechenland:Demonstrant stirbt bei Ausschreitungen in Athen

Vermummte gegen Kommunisten, Polizisten gegen Vermummte: Auch der zweite Streiktag ist eine Belastungsprobe für Griechenland. Im Parlament stimmen die Abgeordneten über brutale Einschnitte bei den Beamten ab, davor attackieren Hunderte Chaoten Demonstranten mit Molotowcocktails. Ein Mann kommt bei den Krawallen ums Leben.

Bei Krawallen in der Innenstadt von Athen ist ein Demonstrant ums Leben gekommen. Ein Krankenhaus der Hauptstadt gab den Tod des 53 Jahre alten Mannes am Donnerstagnachmittag bekannt. Über die genaue Todesursache gab es zunächst keine genauen Angaben. Griechische Medien berichteten, der Mann sei von einem Stein am Kopf verletzt worden und habe anschließend einen Herzinfarkt erlitten.

Abstimmung über Sparpaket in Griechenland: Angriff vor dem Parlament: Demonstranten fliehen vor einem Brandsatz.

Angriff vor dem Parlament: Demonstranten fliehen vor einem Brandsatz.

(Foto: AP)

Im und vor dem griechischen Parlament liegen an diesem Donnerstag die Nerven blank. Um wie viel es für die Regierung geht, verraten die Worte, die Finanzminister Evangelos Venizelos wählt: "Keinen neuen Tag, sondern nur noch Dunkelheit" werde es geben, wenn das neue Spargesetz scheitere. Am Abend sollen die Abgeordneten abstimmen.

Vor dem Parlament demonstrieren zehntausende Griechen gegen den Sparkurs - plötzlich rannten Hunderte Angreifer in die Kundgebung und attackierten die Protestierenden. Die zum Teil vermummten Randalierer, unter ihnen viele Jugendliche, warfen mehrere Brandsätze in Flaschen auf Teilnehmer. Die Polizei setzte daraufhin massiv Tränengas ein, um die aufgebrachte Menschenmenge auseinanderzutreiben. Tausende Menschen flohen in Panik von dem Platz.

Die meisten Demonstranten waren einem Aufruf der Kommunisten gefolgt, sie waren lautstark, aber friedlich, und skandierten "Diebe!" in Richtung des Parlaments. Sie forderten den Rücktritt der Regierung. Bereits am Mittwoch hatte es schwere Krawalle in Athen gegeben, als der 48-stündige Generalstreik begonnen hatte. Das öffentliche Leben in Griechenland liegt lahm.

Minister Venizelos warnte seine wütenden Landsleute ebenso wie mögliche Abweichler unter den Abgeordneten. Mit den neuen Einsparungen will seine Regierung den Haushalt sanieren - und die Geldgeber wie Europäische Union und Internationalen Währungsfonds zufriedenstellen.

Konkret geht es um die Einsparung von rund 300 Millionen Euro. Dabei sollen 30.000 Staatsbeamte in eine sogenannte Reserve-Stellung mit geringerer Bezahlung für bis zu zwei Jahre versetzt werden. In einem Land, in dem jedes fünfte Gehalt von der Regierung bezahlt wird, hat das weitreichende Folgen. Außerdem sollen die Gehälter von Staatsbediensteten um 20 Prozent gekürzt werden.

Mit dem Sparprogramm wird ein 100 Jahre altes Tabu gebrochen - schätzungsweise 9000 Beamte könnten entlassen werden. Seit 1911 wird ihnen der Schutz eines lebenslangen Arbeitsplatzes eingeräumt. Der Grund: Bis dahin hatte jede neu gewählte Regierung ihre eigenen Unterstützer in der Verwaltung untergebracht, indem sie sich zuvor der alten Bediensteten in großem Stil entledigte.

Gegen das harte Sparprogramm demonstriert wurde im ganzen Land: in der Metropole Thessaloniki im Norden, in der westgriechischen Hafenstadt Patras, auf Kreta und in der Stadt Ioannina im Nordwesten des Landes. Aus Protest gegen die Sparprogramme ließen Mitarbeiter von Ministerien, Fährbetrieben und der Bahn die Arbeit ruhen. Ihnen schlossen sich Taxifahrer und Angestellte öffentlicher Verkehrsbetriebe an.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beraten am Wochenende auf dem Gipfel in Brüssel über neue Hilfe für das überschuldete Griechenland. Die sogenannte Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank empfahl am Donnerstag, die nächste Tranche von acht Milliarden Euro auszuzahlen. Sie ist Teil des ersten, im vergangenenen Jahr beschlossenen Hilfspaketes. Das neue Sparprogramm ist Voraussetzung für die Auszahlung dieser Tranche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: